SPD: Abschied von TTIP auf Raten

Von führenden SPD-Politikern ist zunehmend zu hören, dass das transatlantische Handelsabkommen "faktisch tot" sei. Verhandlungsführer der EU und der USA betonten dagegen nach der 14. Runde, man könne 2016 noch zu Potte kommen.

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Die deutsche Sozialdemokratie will vom geplanten transatlantischen Handelsabkommen TTIP immer weniger wissen. "So wird das nichts", erklärte der europäische SPD-Abgeordnete Bernd Lange am Freitag nach Ende der 14. Verhandlungsrunde in Brüssel. "Die Amerikaner bewegen sich noch immer nicht auf die europäischen Vorstellungen zu", bedauerte der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament. Das von offizieller Seite nach wie vor ausgegebene Ziel, die Gespräche über den Vertrag noch dieses Jahr abzuschließen, sei "völlig abwegig".

"Das Angebot der USA, ihren Markt für öffentliche Aufträge zu öffnen, ist aus europäischer Sicht ein schlechter Scherz", wettert Lange weiter. "Die Liste der offenen Punkte reicht bis zum Mond."

Die Kritik des wichtigen EU-Parlamentariers fügt sich nahtlos ein in eine Reihe vergleichbarer Aussagen von Sozialdemokraten. "TTIP ist faktisch tot", konstatierte Dirk Wiese, Berichterstatter für die SPD-Bundestagsfraktion zu der umstrittenen Handelsübereinkunft, in der Westfalenpost vom Freitag. Alle großen Verhandlungspunkte seien weiter umkämpft. Die Gespräche müssten zumindest auf dem jetzigen Stand eingefroren und nach den Wahlen in den USA im Spätherbst mit der neuen politischen Führung in Washington wieder mit anderen Schwerpunkten aufgenommen werden.

"Aus meiner Sicht ist TTIP tot, das kommt weder vor noch nach der Bundestagswahl", zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung ganz ähnlich Achim Post, den Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen SPD-Landesgruppe im Bundestag. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich jüngst von dem Abkommen mehr und mehr distanziert. Der Wirtschaftsminister verweist dabei auf die Blockadehaltung der US-Amerikaner. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen warnte dagegen vor einer "politischen Kapitulation" mit einem vorschnellen Abschied von TTIP und den damit einhergehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Globalisierung.

Der EU-Verhandlungsführer Ignacio Garcia Bercero und sein US-Gegenspieler Dan Mullaney bemühten sich nach dem Abschluss der Gespräche dieser Woche am Freitag dagegen, den Flurfunk zu übertönen, Zuversicht zu zeigen und " Business as usual" zu suggerieren. "Wir haben Vorschläge für fast alle 30 Kapitel auf dem Tisch", untermauerte der Spanier das "fortgeschrittene Stadium" der Unterredungen. Die Kommission habe gerade zehn neue eigene Vorschläge veröffentlicht. Geeinigt habe man sich auf ein gesondertes Kapitel, um Bürokratiekosten vor allem für den Mittelstand zu senken. In weiteren Texten gehe es etwa um nachhaltige Entwicklung und "grüne Innovation und Technologien".

Die Priorität liegt für den EU-Beamten nun darauf, "möglichst schnell voranzukommen" und Ende Dezember mehr oder weniger abgestimmte Papiere zu fast allen Bereichen vorweisen zu können. Der europäische Chefunterhändler räumte aber auch ein, dass die aktuellen Texte von beiden Seiten teils noch sehr unterschiedlich bewertet und noch nicht alle "konsolidiert" seien. Am Ende müsse die Politik den vorhandenen Stand bewerten.

"Wir sind dabei, Meinungsdifferenzen abzubauen", ergänzte Mullaney. Dabei habe man "erhebliche Fortschritte für ein ambitioniertes Abkommen" erzielen können. Einige Nüsse wie drei Prozent der Zölle, der Datenschutz oder ein allgemeiner digitaler Regelungsrahmen seien zwar noch zu knacken. Trotzdem glaube Washington, "dass 2016 noch erreichbar ist, wenn der politische Wille vorhanden ist. Dies müsse das Hauptziel trotz Brexit sein. (jk)