Netzregeln: Soziologe fordert Verbot eigener Autos

Der Gesetzgeber und die Gesellschaft müssten mehr Mut haben, um die E-Mobilität voranzutreiben und Emissionen zu begrenzen, meint der Verkehrsforscher Andreas Knie. Er plädiert für eine radikale Deregulierung.

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Netzregeln: Soziologe fordert Verbot eigener Autos

Ali Azimi (Uber), Mario Sela (Bitkom), Andreas Knie (InnoZ) & Christian Förster vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg

(Bild: heise online / Stefan Krempl)

Lesezeit: 3 Min.
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Elektromobilität, Share Economy und besserer Klimaschutz werden hierzulande nicht funktionieren, "weil wir die falsche Regelwelt haben", meint Andreas Knie, Gründer und Geschäftsführer der auf Innovationen im Mobilitätssektor spezialisierten Firma InnoZ. Der Soziologe machte sich am Donnerstag auf der Konferenz "netz:regeln" der Heinrich-Böll-Stiftung und des IT-Branchenverbands Bitkom in Berlin dafür stark, den Verkehrsbereich gründlich von althergebrachten Normen und Traditionen zu befreien.

In den Städten seien viele nur noch "genervt von den vielen Autos", meint der Sozialwissenschaftler Knie. Das liebste Kind der Deutschen gelte nicht mehr als "die Ikone der Moderne". Gehen oder Radfahren hätten dagegen "enorm an Bedeutung gewonnen". In der Hauptstadt etwa würden nur noch 25 Prozent der Wege mit dem Auto erledigt. Im Trend stehe das "verknüpfte Verkehrsmittel".

Die Zeit ist für Knie daher reif für teils radikale Schnitte. So plädierte Knie, der der Arbeitsgruppe Rahmenbedingungen der Nationalen Plattform Elektromobilität angehört, etwa für ein "Verbot des Eigentums" an Autos. Es gelte, "nicht das Internet ins Auto zu bringen, sondern das Auto ins Internet". Sprich: Jeder erklicke sich das gerade gebrauchte Verkehrsmittel per Smartphone und App nach "direkter Verfügbarkeit".

Mit der Devise "hier und jetzt kohlendioxidfrei losfahren" mit dem E-Auto ließe sich der gegenwärtige Bestand von rund 1,3 Millionen Fahrzeugen in Berlin "locker auf 350.000 reduzieren". Die Zeit des Verbrennungsmotors sei "definitiv vorbei".

Knie plädierte für mehr mutige Experimente im Verkehrssektor. Die hiesigen Autohersteller sähen die Trends etwa in Richtung Sharing-Angeboten, aber wanderten teils nach Skandinavien, London, Kalifornien oder China aus, da die bestehenden Gesetze ihnen zu wenig Spielraum ließen. Weg müsse daher nicht nur das antiquierte Personenbeförderungsgesetz aus den 1960ern, das es Anbietern jenseits von Taxi-Unternehmen mehr oder weniger verbiete, "Leute gegen Geld mitzunehmen". Gestrichen werden müssten die hierzulande "acht Milliarden Euro für die Subventionierung des Diesels" genauso wie Steuererleichterungen für privaten Besitz an Fahrzeugen.

Der Autobesitz nehme auch ohne Verbot ab, konstatierte Ali Azimi, Kommunikationsleiter bei Uber Deutschland. Was das Personenbeförderungsrecht mit "Rückkehrpflichten" für "Profi-Fahrer" jenseits von Taxi-Betrieben, engen Gebührenvorgaben und Ortskenntnisprüfung angeht, stimmte Azimi Knie aber voll zu. Uber wolle nicht Taxi-Kunden abwerben, "sondern die überzeugen, die morgens allein im Auto sitzen im Stau".

Uber vermittele momentan "eine Million innerstädtische Fahrgemeinschaften täglich", sagte Azimi. In Washington etwa habe er jüngst selbst über Uber Pool in Echtzeit ein Auto gebucht, in das nach hundert Metern noch ein Interessent zugestiegen sei. Prinzipiell wolle die Firma vor allem "zu Randzeiten" aushelfen, wenn der ÖPNV nicht mehr so leistungsfähig sei, und so zu Carsharing- und Bikesharing-Offerten treten.

Mobilität als Service stehe auch im grünen Verkehrsministerium in Baden-Württemberg hoch im Kurs, ergänzte der dortige Digitalisierungsreferent Christian Förster. Autofahrer müssten ohne Brüche auf öffentliche Verkehrsmittel umgelenkt oder das Fahrradfahren attraktiver gestaltet werden, da sich sonst Fahrverbote am Horizont aufbauten. Er räumte ein, dass in derzeitigen Gesetzen "eine gute Portion Protektionismus" mitschwinge. (anw)