Wer kontrolliert die Länder-Domains?

Die Frage, wer die letztendliche Kontrolle über die country code Top Level Domains (ccTLDs) ausübt, wurde von der ICANN nur scheinbar gelöst.

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Von
  • Monika Ermert

Regierungsvertreter haben beim Treffen der Adress- und Namensraumverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erneut ihren Anspruch bekräftigt, bei der Bestellung der Manager für die Länderregistrierstellen (country code Top Level Domains, ccTLDs) im Netz das letzte Wort zu haben. Seit zwei Jahren wird innerhalb des ICANN-Prozesses um das vertragliche Verhältnis zwischen der für das globale Rootserver-Management zuständigen Organisation und den über 250 ccTLD-Unternehmen gerungen. Auf dem ICANN-Meeting in Melbourne hat man den gordischen Knoten durchschlagen, aber nur scheinbar.

Mit wachsender Dringlichkeit, ja Verzweiflung sei das ICANN-Büro um stabile Verträge mit den ccTLDs bemüht – diese verlangt das US-Department of Commerce, bevor es ICANN in die "Unabhängigkeit" entlässt. Bislang muss die Organisation alle Entscheidungen der US-Behörde vorlegen. Der Streit zwischen den ccTLD-Managern und den Vertretern in ICANNs beratendem Regierungsbeirat (GAC) hat Vertragsabschlüsse blockiert, da die Regierungen darauf bestanden, vor Vertragsschluss gehört zu werden. Dagegen hatten sich viele ccTLD-Manager, die ihre Aufgabe noch von Jon Postel übertragen bekommen hatten, entschieden gewehrt.

Die Lösung soll nun zwei Arten von Verträgen bringen. Einer davon ist nach althergebrachter Internet-Sitte gestaltet, sozusagen im Postel-Stil. Dabei nimmt ICANN als delegierende Institution die Vertretung der Interessen der Internet-Community wahr, zumindest bis die Regierung sich meldet. Solange die ccTLD-Manager im Land sind, reichten vorhandene Gesetze als Kontrollfunktion auch durchaus, urteilen viele ccTLD-Vertreter wie DeNIC-Geschäftsführerin Sabine Dolderer.

Die zweite – und neue – Variante ist eine trilaterale Vereinbarung. Dabei gibt ICANN "die Aufgabe, die Interessen der Community zu schützen, an irgendein Gremium ab, das irgendwie mit der Regierung in Verbindung steht", erklärte ICANNs Finanzchef und Politikstratege Andrew McLaughlin. Mit dieser Art von Dreiecksbeziehungen anerkennt ICANN die Hoheit der Regierungen über die entsprechenden ccTLDs an. Im vergangenen Jahr haben die Regierungen einen dezidierten Vorschlag zum Verhältnis ICANN-ccTLD-Regierungen gemacht, der auch der deutschen Registrierstelle zu weit geht.

In Melbourne zeigten sich die ccTLD-Vertreter erst einmal zufrieden mit der von McLaughlin vorgestellten Konzept, nun so schnell wie möglich bilaterale Verträge zu schließen, die ICANNs "Serviceleistungen" für die Länderregistrare regeln. ccTLD-Vertreter Peter Dengate Thrush, Vorsitzender der Neuseeländischen Internet Society, beklagte im offenen Forum in Melbourne den liederlichen Zustand der IANA-Datenbank. An die 100 ccTLDs seien mit falschen, veralteten Daten eingetragen, notierten die ccTLD-Vertreter in ihrem Abschlußkommuniqué.

Die Regierungen sind mit der neuen Entwicklung nicht ganz einverstanden. Der wiedergewählte Vorsitzende des ICANN-Regierungsbeirates, der Australier Paul Twomey, bekräftigte den Anspruch auf generell trilaterale Beziehungen. Um den Prozess überhaupt voranzubringen, erklärten man sich immerhin bereit, bilaterale Verträge zunächst zu tolerieren. Und damit entfällt ICANNs Verpflichtung, zunächst einmal alle Regierungen, ob sie nun an ihrer ccTLD interessiert sind oder nicht, um ein Plazet zum aktuellen Manager zu bitten.

So schnell wie möglich will das ICANN-Büro nun einen Vertragsentwurf für bilaterale Verträge entwerfen – immerhin wollen viele ccTLD-Manager finanzielle Beiträge zur ICANN-Finanzierung erst dann leisten, wenn sie selbst vertragliche Ansprüche an ICANN haben. Vom DeNIC hatte die Organisation im vergangenen Jahr immerhin eine halbe Million US-Dollar verlangt, mehr als von jeder anderen ccTLD überhaupt. Ohne vertragliche Grundlage sahen sich die ccTLDs kaum zu Zahlungen verpflichtet, zumal sie auf Updates der Root-Zone-Server oft viel zu lange warten mussten. "Hoffentlich noch vor Stockholm" soll es nun erste bilaterale Verträge geben, meint Herbert Vizthum, Ex-Chef des österreichischen nic.at, und inzwischen ICANN-Beauftragter für ccTLD-Angelegenheiten.

Doch aus Regierungssicht bleibt die staatliche Anerkennung der ccTLD-Manager das Ziel, alle bilateralen Verträge seien nur "vorläufig", heißt es im Melbourne-Kommuniqué der Regierungen. Man verbittet sich bilaterale Verträge, sofern bereits Neuvergabeverfahren anhängig sind oder aber der ccTLD-Manager nicht im Land selbst ansässig ist – es sei denn die entsprechende Regierung hat dazu ihre Zustimmung erteilt, wie etwa im Fall von .tv. Auch wenn eine Regierung ICANN davon in Kenntnis gesetzt hat, dass sie eine ccTLD-Regelung vorsieht, kann die Organisation keinen unabhängigen Vertrag schließen.

Wie brav die ICANN sich an diese Vorgaben schon jetzt hält, zeigt ein Fall, der naturgemäß in Melbourne auf der Tagesordnung der ccTLD-Gemeinde stand. Seit über einem Jahr versucht dot cx ltd. die Anerkennung durch die ICANN durchzusetzen. Aber die Insel im indischen Ozean gehört zu Australien, es gibt nur eine lokal gewählte Verwaltung. Nun fordert die Australische National Office for the Information Ecnonomy (NOIE), dass sich dot cx einer Vereinbarung unterwirft, nach der NOIE den Registry-Betrieb kontrolliert und über eine eventuelle Neuvergabe entscheidet. Und ICANN/IANA hat deshalb bislang die Aktualisierung der Nameserver und Kontaktdaten in der IANA-Datenbank verweigert, obwohl dot cx die Unterstützung des ehemaligen britischen ccTLD-Betreiber, einer langen Liste lokaler Organisationen und der gewählten Inselverwaltung versichert hat.

ICANNs ccTLD-Fachgruppe kritisierte in Melbourne die Organisation: Man sei besorgt, dass das ICANN-Büro ganz offensichtlich die GAC-Empfehlungen anstatt der bestehenden Verfahrensvorschriften befolge. Wie unabhängig die ccTLDs in Zukunft sein werden, hängt nun wohl wesentlich davon ab, ob die Regierungen beim Domainmanagment mitreden wollen oder nicht. Welche Art von Vertrag die DeNIC mit ICANN abschließen kann, das werde die Bundesregierung nach Gesprächen mit der deutschen Registry entscheiden, erklärte der deutsche Vertreter im ICANN-Regierungsbeirat, Michael Leibrandt. Auch beim klassisch-bilateralen Modell wird sich ICANN wohl der GAC-Forderungen nach kurzen Kündigungsfristen für Verträge ohne explizite Regierungsbeteiligung entscheiden. (Monika Ermert) / (jk)