Urheberabgabe: Pauschalvergütung für Online-Plattformen scheint alternativlos

Urheber, Forscher, Politiker und Verbraucherschützer haben sich auf einer Konferenz zu Digital-Plattformen für ein abgestuftes Haftungs- und Vergütungsmodell ausgesprochen, doch die EU-Gremien müssen noch überzeugt werden.

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Urheberabgabe: Pauschalvergütung für Online-Plattformen scheint alternativlos

Teilnehmer der Konferenz mit Moderator Frank Überall (Dritter von links)

(Bild: Stefan Krempl)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Pauschale Ausgleichszahlungen für Nutzungsrechte von Inhalten auf großen Internet-Plattformen wie YouTube, Amazon oder Facebook sollen helfen, den gordischen Knoten in der seit Jahren vor sich hin kochenden Urheberrechtsdebatte zu zerschlagen. Auf einer Konferenz der "Initiative Urheberrecht" am Montag in Berlin waren sich zumindest fast alle einig, dass an einer Art Vergütungslösung nach dem Vorbild der Geräte- und Leermedienabgabe für Privatkopien kein Weg vorbeiführe.

Eine einschlägige Lösung könnte für die Nutzer "möglichst einfache Rechtssicherheit" und einen Ausgleich mit den Urhebern schaffen, erklärte Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv). Der Begriff der Pauschalabgabe sei zwar antiquiert, "aber die Idee hat Charme". Sie könne eine "Antwort auf verändertes Nutzerverhalten" darstellen und zugleich die Internetfreiheiten erhalten in Zeiten von Verfügungen von Gerichten, die völlig lebensfremd gängige Praktiken infrage stellten wie das Verlinken oder Teilen von Inhalten.

Ein zweistufiges Haftungs- und Vergütungsmodell brachte der Berliner Immaterialgüterrechtler Axel Metzger ins Spiel, wobei er einen Vorschlag seines Bonner Kollegen Matthias Leistner konkretisierte. Wenn Nutzer kleine Ausschnitte geschützter Werke in selbstkreierten Inhalten wie Videos hochlüden, sollten dafür keine speziellen Verträge abgeschlossen werden müssen. Diese Freistellung sei aber an eine Vergütungspflicht bei allen Hosting-Plattformen zu koppeln. Wer selber "strukturierte Dienste" anbiete, also etwa Inhalte nach speziellen Kriterien oder Genres sortiere, sollte lizenzpflichtig werden und so ins strengere Verwertungsrecht fallen. Eine Zwangslizenz müsse dabei dafür sorgen, dass die Nutzungsverträge auch tatsächlich einfach abgeschlossen werden können.

Die Hosting-Plattformen werden so laut Metzger zur "neuen Inkassostelle wie bei Leermedien". Von den Werbeeinnahmen müsse etwas an die Urheber abfließen. Die analoge Urhebervergütung habe schon 1965 einen "Burgfrieden" geschaffen. "Lassen Sie uns dieses Erfolgsmodell fortschreiben", appellierte der Wissenschaftler an die versammelte Lobbygemeinde.

Bisherige Lösungsansätze wie die im Entwurf zur EU-Urheberrechtsreform vorgesehene Vorgabe für Plattformen, zumindest Lizenzierungsgespräche mit Rechteinhabern zu führen, oder den Deal zwischen Gema und YouTube, bezeichnete Metzger als unbefriedigend. Die Google-Tochter habe sich mit der Übereinkunft nur "die Störerhaftung abkaufen lassen", meinte er. Mit den speziellen Prüfaufgaben für gemeldete rechtsverletzende Inhalte könnten die Verwerter schon jetzt Nadelstiche setzen, die "richtig unangenehm" für die Plattformen seien. Dieser Kontrollpflicht habe sich YouTube entledigen wollen. Die Position der Urheber müsse unterfüttert werden, wozu die EU-Initiative jetzt eine einmalige Chance darstelle.

"Gute Ansätze" in einem abgestuften Vergütungsmodell machte die parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries aus. Airbnb führe in den Niederlanden schon eine Bettensteuer beziehungsweise Kulturabgabe direkt an Kommunen ab. Auch Spotify wisse, "was ich mir wann anhöre", meinte die SPD-Politikerin. Das Abgabenmodell könnte bei Streaming-Portalen also ganz ähnlich funktionieren.

Jan Kottmann von Google

(Bild: Stefan Krempl)

"Der Mechanismus Urheberrechtsabgaben hat bisher immer funktioniert", räumte auch der netzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, ein. Prinzipiell sei er aber bei Plattformen für die "regulierte Selbstregulierung", wie sie die EU-Kommission wolle. Vieles im Urheberrechtsbereich werde die Politik aufgrund der großen Interessensdifferenzen gar nicht mehr entscheiden können. Die Konservativen fänden für ihre einschlägigen Vorhaben schlicht keinen Koalitionspartner.

"Es gibt politischen Handelungsbereich", gab Olaf Scholz, Erster Bürgermeister Hamburgs, als Losung aus. Die Wertschöpfungslücke zwischen der Inanspruchnahme geschützter Werke auf Online-Portalen und geringen Ausschüttungen an Kreative und Verwerter müsse verkleinert werden. Zugleich kritisierte der Sozialdemokrat, dass die Vertragsbedingungen des Gema-YouTube-Deals "so geheim sind wie ein Algorithmus".

Auch auf Urheberseite ist der Verdruss über die Details der Vereinbarung groß. Die Sache stinke, ärgerte sich Dan Maag von der Firma Pantaleon. Es sei schade, dass man sich mit den Plattformen nach wie vor über "Nanobeträge" unterhalten müsse. Er vermisste bei Google die "visionäre Kraft" zu sagen, 20 Prozent der Einnahmen werden "ausgeschüttet an die Kreativwirtschaft weltweit".

Der Produzent Mark Chung unterstrich: "Die Mitglieder der Gema haben sich ausdrücklich gewünscht, dass die Vereinbarungen des Deals offen gelegt werden." Das Kleingedruckte gehöre "gnadenlos veröffentlicht", befand auch Oliver Schwenzer von der Mondia Media Group. Dass die Politik den Ball immer nur zurückspielen wolle an die Branche, mache ihn angst und bange angesichts der "großen Not", die in der Kreativwirtschaft seit Jahren herrsche. "Der Neid ist da", beschied Urban Pappi, Chef der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Google betreibe auch ein "Art Project", habe die Abgesandten bildender Künstler aber schon bei einem ersten Gespräch abblitzen lassen. Ohne gesetzliche Pflicht täten die Kalifornier nichts.

"Sehr beherzt neue Regeln schaffen für monopolbildende Plattformen", lautete der Appell des Komponisten Matthias Hornschuh. Er habe die Schnauze voll von der "Diskurssimulation", der die Redlichkeit fehle und die das "demokratiegefährdende Ganze" ausblende, das sich auch in Phänomenen wie Hate Speech oder Fake News widerspiegele.

Für Google Deutschland wagte sich mit Jan Kottmann der Leiter Medienpolitik des Konzerns in die Höhle des Löwen. "Vielleicht können wir ja ein paar Rädchen drehen, mit der Gema haben wir es ja auch geschafft", bedankte er sich für "die erste Einladung von Seiten urheberrechtsbewegter Kreise". Die mit Musikverwertern abgesprochenen fairen Klauseln müssten aber vertraulich bleiben, da sie "Geschäftsgeheimnisse betreffen könnten". Den Urhebern riet er, nicht alles "über einen Kamm scheren oder an die Providerhaftung anzudocken".

Eine eingeschränkte Verantwortlichkeit sei für YouTube überlebenswichtig, da derzeit pro Minute mehr als 400 Stunden Videomaterial hochgeladen würden, erläuterte Kottmann. Zudem mache Musik lediglich zwölf Prozent der Nutzungen des Portals aus, was etwa mit Spotify oder Apples Streaming-Dienst nicht vergleichbar sei. Vielleicht müssten die Schöpfer auch nur etwas geduldiger sein angesichts von Schätzungen, dass 2025 gut 200 Milliarden US-Dollar Umsatz mit Werbegeldern mit Musik möglich seien. (kbe)