33C3: Hacker fordern nach Dieselgate offenen Quellcode bei Auto-Software

Nach den aufgeflogenen Software-Tricksereien von Autoherstellern, mit denen diese in Testzyklen besonders gute Abgaswerte erzielten, drängen Hacker auf transparentere einschlägige Computersysteme und Zugang zum Quellcode.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 119 Kommentare lesen
Blaue Umweltplakette soll kommen ? Diesel bleibt billiger als Benzin. Porsche Auspuff, Autostadt

(Bild: Kristina Beer<br><br>)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die digitalen Steuerungskontrollsysteme aktueller Auto-Generationen würden gezielt als undurchsichtige Blackbox angelegt, kritisierte der Hacker Felix Domke am Dienstag auf dem 33. Chaos Communication Congress (33C3) in Hamburg. Der Tüftler hat selbst die elektronischen Kontrolleinheiten zur Motorsteuerung bei einem VW Sharan Diesel und einem Opel Zafira 1.6 CDTi auseinandergenommen und ist dabei der genaueren Funktionsweise von Abschalteinrichtungen und alarmierenden Abgaswerten auf die Spur gekommen. Da auch viele andere Hersteller ähnlich vorgehen, müssen ihm zufolge die Prüfmöglichkeiten fundamental verbessert werden.

Den bisherigen Prozess, um die Auto-Software zu analysieren, bezeichnete Domke als sehr aufwändig. Dazu müsse man sich zunächst den Binärcode für eine Electronic Control Unit (ECU) etwa von Bosch besorgen, den Speicher mit verschiedensten Hackertricks auslesen und die Maschinensprache des ausführbaren Programms in eine für Menschen lesbarere Assemblerversion umwandeln. Erst dann könnten Details der Funktionsweise der Schummel-Software ausgemacht werden. Dieser Ansatz lasse sich nicht in absehbarer Zeit auf verschiedenste Autobauer übertragen.

Im Nachgang müsse man sich von Opel-Chef Karl-Thomas Neumann noch anhören, "irreführende, übermäßige Vereinfachungen und Fehlinterpretationen der komplexen Zusammenhänge eines modernen Diesel-Abgasreinigungssystems" vorgenommen zu haben, monierte der Hacker. Zugleich habe Neumann aber bestätigt, dass die eingesetzte Steuer-Software äußerst anspruchsvoll sei und sich "nicht in isolierte Parameter zerlegen" lasse. Keiner solle also Einblick erhalten.

Für Domke ist damit klar: "Die Systeme brauchen mehr Transparenz und müssen überprüfbar sein." Der Experte unterstrich: "Wir wollen Zugang zum Quellcode." Die Programme müssten dazu nicht unbedingt Open Source sein, aber technischen Kontrolleuren auch anhand einer guten Dokumentation und einem leicht überprüfbaren Design die Arbeit erleichtern: "Wir wollen in der Lage sein, alle Aktivitäten aufzuzeichnen, die das Auto durchführt, und jegliche Entscheidungen zu rekonstruieren, die die Software fällt."

Auf eine Frage aus dem Publikum, ob auch Bosch mitverantwortlich sei für das Abgasdesaster, betonte der Codeprüfer, dass Techniken gestoppt werden sollten, wenn man wisse, dass einschlägige Programme illegal genutzt werde: "Baue keine Software, die darauf ausgerichtet ist, Gesetze zu brechen", stellte er als Imperativ für Programmierer auf. Dieser sei im Autosektor besonders wichtig, da dort Steuerungssoftware für autonome Fahrzeuge bald mit darüber entscheiden könnte, ob und welche Menschen bei einem unausweichlichen Unfall getötet würden.

Domke hatte bereits auf dem Hackertreffen im Vorjahr Einblicke in die Teile der digitalen Motorsysteme bei Volkswagen gegeben, die für "Dieselgate" verantwortlich waren. Er war unter anderem auf eine Akustikfunktion gestoßen, das exakt die offiziell vorgeschriebenen Bedingungen eines Abgastests unter eher praxisfernen Fahrzyklen definierte und so die Zulassungskontrolleure gezielt täuschte.

Dieses Jahr ging der Hacker detaillierter auf ähnliche Schummeleien beim Opel Zafira ein. Demnach wird die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen Geschwindigkeiten, Luftdrücken und Motordrehzahlen abgeschaltet und der Stickoxidausstoß teils um den Faktor 10 erhöht in einer echten Fahrsituation. Den beworbenen Dieselspaß ohne Reue gebe es so etwa nicht nach jedem Beschleunigungsvorgang, bis das Fahrzeug wieder ausgekuppelt und schier zum Stehen gebracht werde. Auch bei einem Tempo jenseits von 145 km/h funktioniere die selektive katalytische Reduktion nicht mehr. Auch die Abgasruckführung arbeite nur in einem bestimmten, auf die traditionellen Testzyklen abgestimmten Temperaturfenster richtig.

Opel hat laut Domke schon im Mai für Juni weitere Verbesserungen bei der Abgasreinigung versprochen. Fraglich sei nur, welches Jahr dabei gemeint gewesen sei. Tatsächlich habe der Autobauer zwar im Juli eine neue Software vorgestellt, die alle herausgefundenen Probleme beseitige und im Sinne des Umweltschutzes deutlich besser arbeite. In die Verkaufsmodelle sei diese aber noch nicht eingebaut worden, was nun hoffentlich bald erfolgen werde. (akr)