Nackter Wahnsinn

Rolls-Royce Silver Ghost: Der Geist, den sie riefen

Der Rolls-Royce Silver Ghost ist so etwas wie der unüberhörbare Startschuss der britischen Nobelmarke. „Wertvoller als Rupien“ sei er, sagte einst Lawrence von Arabien. Rolls-Royce präsentierte auf der Olympia Motor Show 1906 den ersten Silver Ghost

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Rolls-Royce Silver Ghost 6 Bilder

(Bild: BMW)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Pfeif doch auf Eleganz und Schönheit. Es kommt auf die inneren Werte an. 1906 fand in London die Olympia Motor Show statt und Rolls-Royce präsentierte dort den ersten Silver Ghost. Nackt. Ein Chassis, wie Gott es geschaffen hatte und noch mit einem vorläufigen Namen, bei dem sich auch der interessierteste Speedhead ein Gähnen nicht unterdrücken konnte: 40/50 H.P.

Zwei Götter

Nur war es nicht ein Gott, sondern zwei und sie hatten sich bei dieser Zurschaustellung der besten Teile durchaus etwas gedacht. Der eine Gott hieß Charles Stewart Rolls. Geldadel der britischsten Sorte, Absolvent der Eliteuniversität Eton und Autohändler. Aber nicht irgendwo, sondern in Mayfair. In diesem Londoner Stadtteil blieb er quasi unter Seinesgleichen und verkaufte deswegen auch nur ausländische Autos. Die britischen genügten den Anforderungen seiner Kunden nicht.

Gott Nummer zwei hatte den gegenteiligen Lebenswandel hinter sich. Frederick Henry Royce hatte nicht genug Geld, um seine Ausbildung zum Werkzeugmacher zu beenden, also näherte er sich autodidaktisch dem damals neuen Thema „Elektrik“. Er stampfte eine Produktion für Elektrobedarf aus dem Boden, reüssierte, kaufte sich einen Decauville, ein französisches Auto, und war enttäuscht vom Stand der Technik. Er baute sein eigenes Auto. Einen Royce – von dem sogar drei Stück gefertigt wurden. So lernte er auch Rolls kennen. Der war von den Fähigkeiten des Selfmade-Mans schwer begeistert und gab zu Protokoll, dem „größten Ingenieur der Welt begegnet“ zu sein. Im Mai 1904 entschieden sie sich, die Rolls-Royce Limited zu gründen – im Midland Hotel Manchester, man darf also annehmen, dass dies bei einem Glas Champagner geschah – 1906 war der Eintrag ins Handelsregister perfekt.

Auslieferung ab 1907

Rolls hatte durch seine Arbeit als Autohändler für die Finanzelite bestimmte Vorstellungen, was ein Auto zu leisten hatte, was es können musste, welche Schwachstellen es zu vermeiden galt. Und Royce lieferte, basierend auf dem Lastenheft der englischen Eliten, einen Wagen. Und deswegen stand 1906 in London nur ein Chassis auf der Autoshow. Der Blick sollte frei sein auf das, was Rolls und Royce geschaffen hatten. Der Reihensechszylinder mit sieben Litern Hubraum war ein Meilenstein in der Motorenentwicklung, weil Royce der Kurbelwelle Manieren beigebracht und die Schwingungen enorm reduziert hatte. Geschaltet wurde per manueller Dreiganggetriebe (später folgte eines mit vier Gängen), die Federung war kompliziert aber effizient. Und all das sollten die potentiellen Kunden auch sehen. Bereits im April 1907 wurde der erste 40/50 H.P. ausgeliefert.