Mit der Green Card in eine (un)sichere Zukunft
31. 7. 2000: Walter Riester und Bernhard Jagoda überreichen die erste Green Card. Seither haben über 5000 ausländische IT-Spezialisten das Programm genutzt.
"Nur gültig zur Arbeitsaufnahme als IT-Fachkraft. Sonderprogramm der Bundesregierung und der Wirtschaft." So steht es in dem Pass des Ukrainers Vadym Korol gestempelt. Seit Dezember arbeitet der 27-jährige bei ATOBE Germany, einem Softwareanbieter für WAP-Dienste in Hannover. Stephan Rasche, Geschäftsführer bei ATOBE, hat Korol das erste Mal in Minsk getroffen: "Ich kann nur jedem raten, die Gespräche im Heimatland der Menschen zu führen. Man muss ein Gefühl für das Umfeld entwickeln, um sie besser zu verstehen", sagt Rasche. Korol war einer von 25 Bewerbern, die sich bei der hannoverschen Firma um einen Arbeitsplatz bemüht hatten. Mit 15 von ihnen führte Rasche ein Bewerbungsgespräch.
Inzwischen könnte man ihn getrost als Green-Card-Profi bezeichnen. Von seinen jetzt 27 Mitarbeitern in dem Büro in Hannover kommen vier aus der Ukraine und haben den Sonderstempel im Pass. Für vier weitere läuft das Verfahren. Der Papierkrieg dauert nur noch vier Wochen. "Wir kennen jetzt die Probleme und wissen, wie wir sie schnell lösen." Rasche und sein Team haben ausnahmslos gute Erfahrungen mit der Green Card gemacht. Die Stimmung im Büro sei "multikulti". Und ob Botschaft, Grenzbeamte oder Arbeitsamt, die Behörden sind kooperativ und schnell. Dennoch übt er Kritik: "Man muss überlegen, ob man die Arbeitsberechtigung tatsächlich auf fünf Jahre beschränkt. Als Unternehmer kann ich damit leben. Aber aus der Sicht meiner Mitarbeiter nicht."
In einer Informationsbroschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wendet sich Erwin Staudt, Vorsitzender der Geschäftsführung von IBM Deutschland, an die Green-Card-Bewerber: "Für ausländische IT-Fachkräfte wollen wir eine "welcome economy" sein: Verwirklichen Sie Ihre Ideen hier in Deutschland. [...] Unser gemeinsames Ziel ist klar: Deutschland fit machen fürs Informationszeitalter. Machen Sie mit!" Korol holt jetzt seine Familie nach Deutschland. "Er baut sich hier eine Existenz auf und nach fünf Jahren heißt es 'Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.' Das geht nicht", so Rasche. Spätestens dann erweist sich das "Herzlich Willkommen" der "welcome economy" als halbherzig.
Angestoßen wurde die bis heute anhaltende Diskussion um die Green Card im Februar vergangenen Jahres. Anlässlich der Eröffnung der CeBIT 2000 hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Initiative zur kurzfristigen Beseitigung des Arbeitskräftemangels auf dem IT-Sektor angekündigt. Ungewöhnlich schnell wurde die Initiative umgesetzt und passierte bereits fünf Monate später in letzter Instanz den Bundesrat. Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten wurde die Green Card im weiteren Verlauf 2000 gut angenommen. Inzwischen wird sie von den meisten Beiteiligten als Erfolg bewertet. Kanzler Schröder erwägt sogar, die Green Card auch auf andere Wirtschaftsbereiche auszudehnen. Auch Hans Peter Stihl, ehemaliger Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT), forderte jüngst eine moderne Einwanderungspolitik, die über die bestehende Green-Card-Regelung hinausgehe. (sha)