Bundestag sanktioniert Verstöße gegen die Netzneutralität nur lückenhaft

Provider sollen bis zu 500.000 Euro Strafe zahlen müssen, wenn sie Vorgaben fürs offene Internet nicht beachten. Gebrochene Bandbreitenversprechen werden nicht geahndet.

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DSL-Router

(Bild: dpa, Frank Rumpenhorst/Archiv)

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Online-Zugangsanbieter sollen künftig prinzipiell nicht mehr straffrei gegen die Netzneutralität verstoßen dürfen. Der Bundestag hat am Donnerstag mit der Mehrheit der großen Koalition eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) beschlossen, mit der er darin Auflagen zum offenen Internet, zur Qualität von Internetzugängen und Verbraucherrechten aus der EU-Verordnung zum elektronischen Binnenmarkt festschreiben will. Die Grünen stimmten gegen die Initiative, da diese nicht weit genug gehe, die Linken enthielten sich.

Beschränkt ein Provider unzulässigerweise den Datenverkehr oder kommt er einer vollziehbaren Anordnung der Bundesnetzagentur nicht nach, werden laut der Reform hierzulande bald Bußgelder bis zu 500.000 Euro fällig. Geldstrafen bis zu 100.000 Euro drohen, wenn Diensteanbieter ihre Kunden nicht ordnungsgemäß über Beschränkungen des offenen Internetzugangs informieren oder ihnen nicht deutlich zumindest ihre Rechte aufzeigen, falls die tatsächliche Datenübermittlung von der vertraglich vereinbarten abweicht.

An sich sollen falsche Bandbreitenzusicherungen der Provider nach dem Motto "bis zu" aber nicht geahndet werden. Dabei hatte der "Bericht zur Breitbandmessung" der Bundesnetzagentur erst jüngst ergeben, dass die angepriesenen Spitzenübertragungsraten häufig in der Praxis nicht erreicht werden. CDU/CSU und SPD wollen die Regulierungsbehörde aber laut einer Korrektur des ursprünglichen Regierungsentwurfs nur verpflichten fortan jährlich zu berichten, ob Netzbetreiber "erheblich, kontinuierlich oder regelmäßig" von vertraglichen Angaben zur Bandbreite abweichen.

Die umstrittene Praxis des Zero Rating wird von den Sanktionen ebenfalls nicht erfasst. Dabei rechnen Mobilfunkbetreiber bestimmte Anwendungen wie Musik- oder Videostreaming nicht auf das Datenvolumen an, das in einen Tarif eingeschlossen ist. Sie können so eigene Angebote oder die von Partnern bevorzugen. Ungesühnt bleibt ferner, wenn Zugangsanbieter rechtswidrig personenbezogene Daten ihrer Kunden verarbeiten oder Datenpakete nicht gleichberechtigt übertragen. Wirklich weh tun dürften die vorgesehenen Geldbußen Telekommunikationskonzernen auch nicht.

Um die Abzocke von Handynutzern durch "WAP-Billing" zu erschweren, soll die Bundesnetzagentur das seit August von vielen Betreibern schon aktiv geschaltete "Redirect-Verfahren" nach einer Anhörung verbindlich machen. Der Kunde muss auf einer "neutralen" Seite des Mobilfunkanbieters ausdrücklich bestätigen, dass er einen Vertragsschluss und Abbuchungen wünscht. Der Bundesrat hatte sich dagegen dafür eingesetzt, dass Mobiltelefonierer ihren Betreiber auffordern können sollten, kostenlos eine selektive, auf einzelne Anbieter oder Branchen beschränkte Sperre einzurichten.

Die Grünen machten sich bei WAP-Abrechnungen in einem Entschließungsantrag für eine pauschale oder selektive Drittanbietersperre stark. Zudem forderten sie unisono mit Bürgerrechtlern und Verbraucherschützern umfassendere und wirksamere Sanktionen bei Verstößen gegen die Netzneutralität und bei ungerechtfertigten Bandbreitenlockvögeln der Zugangsanbieter. Die grüne Medienexpertin Tabea Rößner plädierte für Mindeststandards fürs offene Internet, damit etwa die Telekom mit dem Zero-Rating-Tarif StreamOn dieses nicht aushöhlen könne. "Betrug gehört in den Bereich des Strafrechts", konstatierte der Linke Ralph Lenkert und forderte Schadenersatz bei gebrochenen Breitbandzusagen und mehr Personal für die Bundesnetzagentur. (kbe)