Volkswagen-Chef Müller wirbt für Diesel und Erdgas

Volkswagen-Chef Matthias Müller will mit unabhängigen konzern- und markenübergreifenden Kampagnen die Attraktivität von Dieselmotoren und des Erdgasantriebs steigern. Die Marke VW hat die Krise beider Technologien im Alleingang ausgelöst

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Matthias Müller

(Bild: Volkswagen)

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  • dpa

Volkswagen-Chef Matthias Müller will mit zwei unabhängigen konzern- und markenübergreifenden Kampagnen die Attraktivität von Dieselmotoren und des Erdgasantriebs wieder steigern. Die Marke VW hat die Krise beider Technologien im Alleingang ausgelöst. Nach dem Dieselskandal explodierte ein Erdgas-Touran wegen verrosteter Tanks. Für die Rettung von Diesel und Erdgas im Auto bittet Konzernchef Müller jetzt um die Hilfe der Wettbewerber. Sowohl Dieselmotoren als auch Erdgasantrieb seien auch in Zukunft elementar für die Verminderung des CO2-Ausstosses, sagte Müller.

Volkswagen-Chef Matthias Müller bittet um die Wettbewerber um Hilfe, die Probleme von Diesel- und Erdgastechnologie zu lösen. Ausgelöst hat sie die Marke VW allein.

(Bild: Volkswagen)

Volkswagen-Chef Müller warb am Dienstag (2. Mai 2017) in der Automobilwoche, für ein gemeinsames Engagement der Automobilhersteller für Diesel-PKW und für Erdgas im Auto. Europas größter Automobilkonzern will zwei Kampagnen anstoßen, um die Technologien zu stärken,die die Konzernmarke VW in schlimme Akzeptanzprobleme gebracht hat. Durch vorsätzlichen Rechtsbruch in den USA verschuldete die Konzernmarke VW 2016 den Niedergang des Diesels. Im gleichen Jahr wurde durch die Explosion eines Erdgas-Tourans deutlich, dass VW in der Vergangenheit fahrlässig wenig Rostvorsorge bei den Erdgastanks betrieben hatte.

Zwar habe der Dieselantrieb mit starkem Gegenwind in Politik und Öffentlichkeit zu kämpfen: „Aus unserer Sicht ist der moderne Diesel aber Teil der Lösung, nicht des Problems“, sagte Müller der Automobilwoche. Volkswagen erwägt seinen Worten zufolge eine Kampagne, an der sich andere Hersteller beteiligen sollen. Müller sagte dem Blatt, eine Kampagne für die Selbstzünder solle am besten übergreifend erfolgen, weil nicht nur Volkswagen betroffen sei. Auch andere Hersteller bräuchten Diesel, um die staatlichen CO2-Ziele zu erreichen.

Mit Blick auf drohende Fahrverbote in Innenstädten sagte Konzernschef Müller, es sei problematisch, Euro-5-Diesel „generell zu verdammen“. Dabei ging es Matthias Müller nicht um die Tatsache, dass viele Euro-5-Dieselmotoren weniger Stickstoffdioxid ausstoßen als manche Euro-6-Diesel. Müller setzt auf eine Nachrüstlösung für Euro-5-Dieselmotoren. Dafür sollten sich möglichst viele Automobilhersteller zusammenschließen. Insbesondere Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sei „durchaus offen“ dafür, Dieselmotoren nachzurüsten.

Nach Ansicht des Branchenverbandes VDA sind Nachrüstungen allerdings schwer möglich: „Aus wirtschaftlicher Sicht lässt sich eine Nachrüstung auf Euro 6 kaum darstellen“, sagte der VDA in einer Stellungnahme. Müller aber glaubt das nicht. Dies müsse noch intensiv geprüft werden. Für Volkswagen steht die Wirtschaftlichkeit nicht im Vordergrund. Der Konzern ist ohnehin zur Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen in den USA verurteilt. Vielleicht ergibt sich ja durch eine Nachrüstlösung für Europa die Möglichkeit, die Volkswagen-Bilanz zu entlasten.

Wegen der wachsenden Kritik am Dieselmotor fürchtet die Autoindustrie um Milliardeninvestitionen. Zuletzt war etwa bekannt geworden, dass heutige Diesel-Autos laut Umweltbundesamt den EU-Grenzwert auf der Straße um ein Vielfaches übersteigen. Einer Forsa-Umfrage zufolge planen zudem nur noch zwei von fünf Diesel-Fahrern beim nächsten Autokauf die erneute Anschaffung eines Diesels. Volkswagen erwartet aber, dass Benziner und Diesel trotz des Trends zu neuen Antrieben noch lange den Ton angeben. Moderne Verbrennungsmotoren blieben „noch mindestens 20 Jahre elementar“, hatte Konzernchef Matthias Müller jüngst auf dem Wiener Motorensymposium gesagt. Der Volkswagen-Konzern werde bis 2022 zehn Milliarden Euro in die Entwicklung des Verbrennungsmotors investieren, kündigte Müller an. In Elektro- und Hybridmotoren sollen bis dahin neun Milliarden Euro fließen.

Bis 2025 solle zudem die Gas-Flotte hierzulande auf rund eine Million Fahrzeuge verzehnfacht werden, teilte Volkswagen mit. Die Zahl der CNG-Tankstellen - CNG steht für „Compressed Natural Gas“, Erdgas oder regeneratives Gas aus Öko-Strom - solle im gleichen Zeitraum von rund 900 auf 2000 steigen. Eine entsprechende Absichtserklärung unterschrieben Volkswagen, Gasnetzanbieter und Betreiber von CNG-Tankstellen. Bei dem Vorhaben geht es nicht nur um Personenwagen, sondern auch um Lastwagen sowie den öffentlichen Nahverkehr in Städten und Kommunen. Wegen seiner kurzfristigen Verfügbarkeit sei Erdgas ein „wichtiger Baustein“ für die umweltfreundliche Mobilität der Zukunft, erklärte Ulrich Eichhorn, Leiter Forschung und Entwicklung bei Volkswagen. Wie genau das Ziel erreicht werden soll, stand zunächst nicht fest. Konkrete Maßnahmen sollten gesondert vereinbart werden.
(chlo)