Einbahnstraße für Strom

Elektroautos galten einmal als zentrale Säule des Smart Grids. Was ist von dieser Vision geblieben?

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Manchmal fühle ich mich wie in einer Zeitschleife. Zum Beispiel letzte Woche auf der Hannover Messe. "Aufbau einer bidirektionalen Ladestation für elektrifizierte Pkw" las ich zum Beispiel auf einem Flyer des Forschungscampus EUREF in Berlin. Wie jetzt? Man muss so ein Ding erst noch aufbauen? Im Rahmen eines Forschungsprojekts? Im Jahr 2017?

Vor etwa acht bis neun Jahren galt es bereits als ausgemacht, dass Elektroautos fester Bestandteil des vielbeschworenen Smart Grids sein werden. Die Idee ist auch als "Vehicle to Grid" bekannt und klingt bestechend: Die Akkus laden zu Zeiten, in denen überschüssiger Sonnen- oder Windstrom ins Netz drängt – und speisen ihre Energie wieder ein, wenn es Bedarf gibt.

In der Theorie haben alle etwas davon: Windkraftanlagen müssen seltener abgeregelt werden, die Netzbetreiber brauchen weniger Speicher und Netzausbau, und der Autobesitzer kann sich über ein paar Euro Zusatzverdienst durch die Vermarktung von Regelleistung freuen.

Trotzdem hätten sich die meisten Autohersteller komplett aus dem Thema zurückgezogen, erklärt mir Korinna Stephan vom Innovationszentrum Innoz: "Die sehen kein Geschäftsmodell darin." Mit den meisten Wagen der aktuellen E-Auto-Generation sei schon rein technisch kein bidirektionales Laden möglich. Der Grund: Die verbauten Wechselrichter erzeugten keine hinreichend saubere Sinus-Kurve für eine Einspeisung ins Wechselstromnetz. Und bessere Wechselrichter kosten Geld. Der Ladestandard CCS, den die deutschen Autobauer unterstützen, ist ebenfalls nicht auf bidirektionales Laden vorbereitet – im Gegensatz zum japanischen Chademo.

Was hat die Idee so zerschossen? Offenbar wurde der Speicherbedarf des deutschen Stromnetzes in der Vergangenheit stark überschätzt. Der Leistungspreis für ein Megawatt Sekundärregelleistung – also Energie, die innerhalb von fünf Minuten eingespeist werden kann – sank seit 2008 von über 5000 auf unter 1000 Euro. Eine Ursache dafür: Mittags, wenn der Verbrauch am höchsten ist, speisen auch Photovoltaik-Anlagen am stärksten ein und dämpfen damit die Lastspitzen.

Wenn sich aber mit Speichern kaum noch Geld verdienen lässt, lohnt sich auch nicht der administrative Aufwand für einen Dienstleister, viele E-Autos gemeinsam als großen Speicher zu vermarkten. Zumal beim Besitzer ja noch genug hängen bleiben muss, um den Verschleiß seiner Akkus zu kompensieren.

Zudem bekommen die Stromer Konkurrenz durch Hausspeicher. Diese sind zwar in der Regel mit unter 10 Kilowattstunden deutlich kleiner als die Akkus von E-Autos mit ihren bis zu 100 kWh, aber dafür gibt es mehr von ihnen. Ende 2016 waren in Deutschland 52.000 Geräte installiert – weitaus mehr als die 34.000 zu diesem Zeitpunkt zugelassenen Elektroautos. Dienstleister wie Sonnen oder Caterva vermarkten dieses Potenzial bereits. Die stationären Stromspeicher haben zudem den Vorteil, Tag und Nacht am Netz zu hängen. Bei einem E-Auto hingegen muss ein Besitzer genau planen, wann er das Auto fahren möchte, und wann es seinem Nebenjob als Stromspeicher nachgehen soll.

War die Vision vom rollenden Stromspeicher also eine haltlose Technik-Utopie? Bei den homöopathischen Zulassungszahlen braucht im Moment tatsächlich kaum jemand E-Autos als Stromspeicher. Doch wenn sie sich stärker verbreiten, könnte es sich rächen, dass die Hersteller das Thema fallen gelassen haben. (grh)