Alltag im Facebook-Löschteam: "Nach der ersten Enthauptung geheult"

Erstmals öffnete Facebook sein Berliner Löschzentrum – nach mehreren Medienberichten, in denen die Arbeitsbedingungen kritisiert wurden. Das Büro sieht aus wie viele andere auch. Doch brutale Bilder gehören für die Mitarbeiter hier zum Alltag.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 487 Kommentare lesen
Facebook-Löschzentrum

Löschzentrum von Facebook in einem Service-Center des Dienstleisters Arvato in Berlin.

(Bild: dpa, Soeren Stache)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andrej Sokolow
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Die Arbeit in einem Facebook-Löschzentrum ist nichts für sensible Gemüter. "Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo – da hab' ich dann ausgemacht, bin raus und hab erstmal ein wenig geheult", erinnert sich eine Mitarbeiterin. Das sei dann aber auch ihr einziger emotionaler Ausbruch gewesen – weil man beim ersten Mal unvorbereitet dafür sei. "Jetzt hat man sich so daran gewöhnt, es ist nicht mehr so schlimm", sagt die 28-Jährige.

Es ist das erste Mal, dass Journalisten mit drei Mitarbeitern des Löschzentrums sprechen können. Namen dürfen nicht genannt werden, um sie zu schützen. Insgesamt arbeiten hier 650 Menschen im Mehrschicht-Betrieb. Zu ihren Aufgaben gehört es, Einträge zu sichten und zu löschen, die strafbar sind oder gegen Facebook-Regeln verstoßen. Sie alarmieren Facebook, wenn aus einem Beitrag hervorgeht, dass jemand sich selbst oder anderen Schaden zufügen will. So seien durch anschließendes Eingreifen der Polizei schon Suizide verhindert worden, heißt es. Zu den weniger belastenden Aufträgen gehört die Überprüfung der Echtheit von Facebook-Profilen.

In den vergangenen Monaten hatte es kritische Medienberichte über das von der Bertelsmann-Dienstleistungstochter Arvato betriebene Zentrum gegeben. Darin beklagten sich namentlich nicht genannte frühere Mitarbeiter unter anderem darüber, dass sie mit den seelischen Strapazen des Jobs vom Arbeitgeber alleingelassen würden. "Ich als Teamleiter weiß ja nicht, ob jemand Betreuung braucht oder nicht", sagt jetzt einer der Mitarbeiter. Man sei angewiesen darauf, dass die Leute sich selbst melden. "Gedanken lesen kann ja keiner", stimmt ihm eine Kollegin zu. "Und die Betreuung stand ja schon damals zur Verfügung."