Die völlig überhitzte Stimmung macht sinnvolle Diskussionen unmöglich

Klartext: Das Ende der Dieseldiskussion

Wenn wir dieser Tage über den Diesel lesen, möchte man meinen, Rudolf Diesel persönlich sei in die Häuser der Deutschen eingestiegen und habe sich an ihnen vergangen. Woher kommt dieser scheinbar grenzenlose Hass?

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(Bild: heise/Autos Archiv)

Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Es ist so weit: Der Diesel als Thema ist genauso indiskutierbar geworden wie vorher die Flüchtlinge oder noch weiter vorher, in entspannteren Zeiten Apple Computer oder die Deutsche Bahn. Es gibt nur noch zwei mögliche Positionen. Die erste: Diesel ist böse, Autohersteller sind grundsätzlich Lügner, sie sollen sterben gehen. Die zweite: Das war doch alles gar nicht so schlimm, und im Großen und Ganzen der Dinge ist es auch nicht so schlimm, weil … und dann folgt eine Relativierung mit Aida-Dampfern drin oder etwas Ähnliches.

Zwischen diesen zwei Lagern gibt es nur eine mögliche Umgangsform: die der Beschimpfung der anderen Seite. Wer den Diesel verteidigt, ist eine Hartgeldnutte der Autoindustrie in tief gebückter Körperhaltung. Wer die deutsche Autoindustrie kritisiert, ist ein kurzsichtiger Grünstichromantiker, der Elon Musk hörig ist. Wer eine Position außerhalb beider Lager einnimmt, wird unweigerlich beide Beleidigungen hören, denn ein richtiger Diskurs, mit Argumenten und so, der ist in der allgemeinen emotionalen Hitze unmöglich geworden. Schade. Gerade jetzt, wo in einer Umorientierung viel möglich wäre, wird also wieder irgendein Aktionismus zum Zuge kommen, der in zehn Jahren den nächsten Skandal verursacht.

Politiktionismus

Der Grabenkampf ist so schädlich, weil die Politik eine rein soziale Plattform ist, was den Technokraten immer so wurmt. Hier herrscht nicht die nach allen Angriffen beste Idee wie in der Wissenschaft, sondern Menschen mit schönem Gesicht dürfen bevorzugt teilnehmen (siehe: Wahlverhalten) und Ideen durchsetzen, die sich am schnellsten weiterschrei(b)en lassen (siehe: Medien). Jeder Flüchtling ist ein Engel/Teufel. Atomkraft ist nötig/unnötig. Der Dieselmotor ist gut/böse. Jeder dieser Schrägstriche steht für eine Linie, die in der wirklichen Diskussion kaum dicker zeichnet als die wenigen Pixel, die er auf Ihrem Schirm einnimmt. Zufälle sorgen dafür, welche Seite in der Politik zu einem blinden Aktionismus führt. Dass die Politik einmal sehend in die Zukunft leiten würde, hofften wahrscheinlich die alten Griechen vor der Einführung, um diese Hoffnung zur Einführung spektakulär für immer sterben zu sehen.

Technikfolgenabschätzung

Erinnern wir uns, wie das Thema „Rußfilter“ damals Traktion sammelte. Es war, ähnlich wie in diesem Jahr, einfach nichts Anderes los im Sommerloch, das zur Zentrifuge einer ins Absurde drehenden Diskussion wurde, an deren Ende strengere Anforderungen an Autos standen. Die, das zeigen die (technisch leider immer noch sehr vagen) Messungen, führten zu Motoren, die heißer verbrennen und damit Stickoxid erzeugen, das … Sie sehen, worauf ich hinauswill. Zum Feinstaub damals sagte ein besonnener Mensch sinngemäß, wenn man nur die (gewichteten) Partikelgrößen hernehme, ohne die Biochemie der einzelnen Stoffe zu betrachten, sei das nicht besonders sinnvoll. Er schlug eine umfassendere Betrachtung aller auftretenden städtischen Luftschadstoffe vor. Eine Technikfolgenabschätzung hätte schon damals jeder Diesel-Ingenieur geliefert. Da die Vorschläge des Mannes jedoch nicht in eine Bild-Headline passten, nahmen sie auch nicht nennenswert am öffentlichen Diskurs teil. Die heutige Situation sieht ähnlich aus.