Auf dem Weg zur grünen Großmacht

China will Weltmarktführer bei grüner Technologie werden. Nach der Solarbranche könnte nun der Batteriemarkt für Elektroautos in chinesische Hände wandern. Was für europäische Hersteller zum Fluch werden dürfte, ist für das Klima ein Segen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Finn Mayer-Kuckuk
  • Lea Deuber

Dieser Text-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft ist ab 17.8.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Daimler baut derzeit für eine halbe Milliarde Euro im sächsischen Kamenz eine Großfabrik für Elektroauto-Batterien, Tesla steckt rund fünf Milliarden in seine „Giga-Factory“ in Nevada. Beides sind viel beachtete Meilensteile auf dem Weg zum preiswerteren Elektroauto. Doch sie verblassen gegen die chinesischen Pläne. Hersteller wie BYD (siehe TR 10/2011, S. 48) und Lishen fahren gerade ihre Produktion massiv hoch. Zusätzlich entstehen landesweit zahlreiche weitere Anbieter. Am schnellsten wächst derzeit der junge Hersteller CATL (Contemporary Amperex Technology Ltd.). Firmengründer Huang Shilin will „Leistungsführer und Preisbrecher zugleich“ sein. CATL ist erst fünf Jahre alt, schickt sich jedoch schon an, Panasonic und Tesla zu überholen. Das Unternehmen hat seine Produktion im vergangenen Jahr verdreifacht und will in Kürze Batterien mit einer Kapazität von 50 Gigawattstunden jährlich produzieren. Mit ihren 35 Gigawattstunden ist Teslas Giga-Factory im Vergleich dazu nicht mehr besonders giga. Insgesamt wird China im Jahr 2020 auf ungefähr 174 Gigawattstunden kommen, schätzen Analysten des Branchendienstes Benchmark Mineral Intelligence.

China ist damit auf einem guten Weg, zur Supermacht bei Klimaschutztechnologien zu werden – so abwegig das klingt für eine Nation mit dem höchsten Kohlendioxidausstoß weltweit. Aber zum einen liegt der Wert pro Kopf noch immer rund 25 Prozent unter dem Deutschlands. Zum anderen sind Akkus nur ein kleiner Teil der Strategie. Ein weiterer schwimmt inmitten eines Sees in Huainan in Ostchina. Meter für Meter aneinandergeschraubt, treiben Solarpanels mit einer Leistung von 40 Megawatt auf dem Wasser – ausgerechnet in einem ehemaligen Grubenloch im Herzen von Chinas früherer Kohleindustrie. Rund 15000 Familien können pro Jahr mit dem Strom der Anlage versorgt werden. Der im Juni eröffnete Bau gilt als eines der Vorzeigeprojekte Chinas im Kampf um eine bessere Klimabilanz. Es ist das größte schwimmende Solarkraftwerk der Welt und ein weiteres Megaprojekt, um Chinas Umweltimage aufzupolieren.

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos Anfang des Jahres warb Staatspräsident Xi Jinping vor der Topriege internationaler Wirtschaftsvertreter für eine grünere Welt. Chinas mächtigster Mann richtete strenge Worte an die Unterschreiber des Pariser Abkommens: „Alle Unterzeichner sollten dabeibleiben, anstatt davonzulaufen“, mahnte der Präsident: „Das ist unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.“ Die Äußerung beinhaltet natürlich eine gute Portion Imagepflege und einen Seitenhieb auf US-Präsident Donald Trump. Das kostet nichts und kommt gut an beim heimischen Volk.

Aber selbst Li Shuo von Greenpeace in Peking muss zugeben: „China hat in den vergangenen sieben Jahren einen gewaltigen Kurswechsel eingeschlagen.“ Von null zum größten Produzenten von Solarenergie und von null zu den höchsten Investitionssummen in erneuerbare Energien. Innerhalb weniger Jahre wurden neue Förderprogramme für Elektroautos aufgelegt und Quoten für Fahrzeughersteller eingeführt. Chinas Führung habe die Diskussion um den Klimawandel nicht politisiert, sondern zu einer unstrittigen Herausforderung erklärt. „In Peking werden die Ergebnisse der Wissenschaft nicht infrage gestellt“, sagt Li.

Denn die Folgen des Klimawandels sind schon heute in China sichtbar. Im westchinesischen Hochland von Tibet schmelzen die Gletscher, in den Hafenstädten Shanghai und Guangzhou steigt der Meeresspiegel. Das Land leidet im Norden unter gewaltiger Dürre, in der Inneren Mongolei frisst die Wüste die knappe Ackerfläche des Landes. Ein weiterer Grund für den chinesischen Sinneswandel sind Schlagzeilen über vergiftete Böden und Wassermangel sowie Bilder vom Smog in Großstädten. „Die wachsende Mittelschicht will die Belastungen nicht mehr hinnehmen“, sagt Li. „Besonders in den sozialen Medien ist der Druck auf die Regierung hoch.“

(wst)