Umweltministerin: Haltung der Autoindustrie nicht akzeptabel

Software-Updates, wie sie auf dem Dieselgipfel Anfang des Monats beschlossen wurden, reichen nach Modellrechnungen des Bundesumweltamtes nicht aus. Daher findet die Bundesumweltministerin die Haltung der Autoindustrie "nicht akzeptabel".

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Umweltministerin: Haltung der Autoindustrie nicht akzeptabel

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks stellt die Modellrechnung des Umweltbundesamts vor.

(Bild: bmub.de)

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Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat angesichts der Ergebnisse des Dieselgipfels Anfang dieses Monats die Automobilindustrie scharf kritisiert: "Es kann nicht sein, dass sich einige Hersteller selbst vor Software-Updates drücken. Auch die Weigerung der Autoindustrie, sich mit technischen Nachrüstungen zu befassen, ist für mich nicht akzeptabel."

Hintergrund ihrer Empörung sind aktuelle Modellrechnungen des Umweltbundesamtes, laut denen die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Schritte nicht ausreichen, um in den meisten betroffenen Städten die Stickstoffdioxidbelastung in Deutschland den Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter zu unterschreiten, der in der EU zum Schutz der menschlichen Gesundheit gilt.

Hendricks bezeichnete den Dieselgipfel als einen "ersten Schritt", dem aber dringend weitere und größere Schritte folgen müssen. "Wie bei den Software-Updates sind auch bei den Hardware-Nachrüstungen die Hersteller verantwortlich. Und auch die Kosten hierfür müssen natürlich vollständig von den Fahrzeugherstellern getragen werden", forderte die Ministerin.

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Das Umweltbundesamt hat in Szenarien berechnet, wie sich die auf dem Dieselforum beschlossenen Software-Updates sowie die Umtauschprämien auf zwei beispielhaft gewählte Messstellen auswirken: die Landshuter Allee in München mit einer sehr starken Belastung von 80 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter sowie die Parcusstraße in Mainz mit einer mittleren Belastung von 53 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt.

Im Ergebnis wirken sich Updates und Prämien an stärker belasteten Straßen natürlich stärker aus als an weniger stark belasteten Standorten. In den wahrscheinlichsten Szenarien liegt die Minderung demnach etwa zwischen zwei Mikrogramm (Mainz) und fünf Mikrogramm (München).

Umweltbundesamt-Präsidentin Maria Krautzberger erläuterte, die Luft in den Städten werde trotz Software-Update kaum spürbar besser, weil das Ausgangsniveau der Fahrzeuge viel zu schlecht sei. "Euro 5-Diesel ohne Update stoßen heute im Schnitt 906 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer aus. Das ist fünfmal mehr als der Grenzwert von 180 Milligramm. Auch aktuelle Euro 6-Diesel ohne RDE stoßen sechsmal mehr Stickstoffoxide aus dem Auspuff aus als zulässig."

Für fast 70 deutsche Städte reichten Gipfelergebnisse wohl nicht aus, um die Atemluft unter den Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid im Jahresmittel zu senken. "Nur in rund 20 Städten, die derzeit knapp über dem Grenzwert liegen, werden die Beschlüsse des Diesel-Gipfels dazu führen, die seit 2010 geltenden EU-Grenzwerte endlich einzuhalten", erläuterte Krautzberger.

Die Wirkung der von den Autoherstellern angebotenen Umtauschprämie wird insgesamt geringer eingeschätzt als die der Software-Updates und dürfte je nach Annahmen zwischen null und zwei Prozent liegen, teilt das Umweltministerium mit. Deutlich höher wäre die Wirkung, wenn die Prämie nur für den Kauf sehr sauberer Fahrzeuge eingesetzt würde – und nicht für die Euro-6-Diesel, die die neuen Straßentests noch nicht erfüllen.

Der Verband der Automobilhersteller hatte vorige Woche eine eigene Modellrechnung für die Auswirkung der geplanten Software-Updates vorgelegt. Dabei geht er davon aus, dass die Software-Updates zu einer durchschnittlichen NOx-Reduktion je Fahrzeug von 27,5 Prozent führe. Bei den Umstiegsprämien für Halter von älteren Diesel-Pkw (Euro 1 bis Euro 4) könnte etwa jeder zehnte dieser Fahrzeughalter diese Option wahrnehmen, wobei Mitnahmeeffekte zu berücksichtigen wären. In dieser Gruppe von 100 Haltern älterer Diesel könnten rund 60 auf neue Euro-6-Diesel umsteigen und etwa 40 auf neue Euro-6-Benziner oder alternative Antriebe.

Bis Anfang 2019 könnten die NOx-Emissionen im gesamten Straßenverkehr nach Ansicht des Verbands gegenüber Anfang 2017 um 12 bis 14 Prozent sinken. VDA-Präsident Matthias Wissmann betonte: "Die Umstiegsprämien und das Software-Update werden diesen natürlichen Bestandserneuerungsprozess um mehrere Jahre beschleunigen."

Update 23.8., 17.05 Uhr: Die Modellrechnung liege mit den VDA-Berechnungen auf einer Linie, teilt der Verband mit. Die Luftqualität werde weiter durch die "natürliche Bestandserneuerung" durch moderne Euro-6-Fahrzeuge verbessert. Damit wiederholt sie ihre Ergebnisse, die sie vorige Woche vorgestellt hat.

Eine Hardware-Nachrüstung sei in der Breite technisch nicht umsetzbar, weil bei der Vielzahl der betroffenen Modelle der Platz für den Einbau eines sogenannten SCR-Kats (Selective Catalytic Reduction) und des dazugehörigen AdBlue-Tanks fehlt. Zudem wäre eine Umsetzung langwierig, da Entwicklung und Erprobung sowie die zusätzlichen Typprüfungen mehrere Jahre dauern würden.

"Nur drei Wochen nach dem Gipfel besteht keinerlei Anlass für Nachjustierungen. Denn auch die Zahlen des UBA zeigen das deutliche Verbesserungspotenzial der auf dem Dieselgipfel vereinbarten Maßnahmen. Wenn jetzt bereits weitere Forderungen erhoben werden, scheint das eher dem laufenden Wahlkampf als Sachgründen geschuldet zu sein", schreibt der VDA. (anw)