Autoindustrie lehnt Hardware-Nachrüstungen bei Diesel-Autos weiter ab

Gut drei Wochen liegt der Dieselgipfel zurück, aber der Streit um die Zukunft des Selbstzünders geht weiter. Nachrüstungen durch Umbau lehnt die Autoindustrie ab. SPD und Grüne werfen dem Verkehrsminister Versagen vor.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 419 Kommentare lesen
Blaue Umweltplakette soll kommen ? Diesel bleibt billiger als Benzin. Porsche Auspuff, Autostadt

(Bild: Kristina Beer)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • dpa

Die Autoindustrie lehnt technische Nachbesserungen an Dieselautos über die Beschlüsse des sogenannten Dieselgipfels hinaus weiter ab. Bei dem Treffen am 2. August 2017 hatten sich BMW, Daimler, Opel und Volkswagen verpflichtet, Autos der Emissionsklassen Euro 5 und 6 mit einer neuen Software auszurüsten, um den Ausstoß des Atemgiftes Stickoxid zu verringern. Hardware-Nachrüstungen, also den Umbau der betroffenen Motoren, lehnten die Autohersteller dagegen ab.

Es sei sinnvoll, erst die Wirkung der beschlossenen Maßnahmen anzusehen, statt kurz nach dem Treffen weitere Schritte zu fordern, erklärte der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, in der "Passauer Neuen Presse". Für einen großen Teil der Fahrzeuge seien Hardware-Nachrüstungen technisch nicht möglich, weil der Platz für Einbauten fehle. "Diese würden auch dort, wo sie machbar sind, Jahre dauern und müssten von den Behörden in aufwendigen Tests abgenommen werden", sagte Wissmann. "Wer schnelle Lösungen will, darf nicht nach Hardware-Nachrüstungen rufen."

Unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte die Autoindustrie zu weitergehenden Nachrüstungen von Dieselautos aufgefordert. Die auf dem Dieselgipfel Anfang August angekündigten Softwareupdates reichten nicht aus. Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) bekräftigte am Samstag in Berlin, dass sie strikt gegen ein Aus für Dieselmotoren sei. Bei sauberen Antriebsarten für die Zukunft könne es auch um eine Weiterentwicklung des Diesels gehen, sagte Zypries beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz in Berlin. "Denn der Diesel ist ja eigentlich ein guter Motor. Er ist ein bisschen in Generalverschiss geraten, aber das ist nicht richtig."

Auf die Frage, ob Zypries angesichts der Grünen-Forderung nach einem Ausstieg aus dem fossilen Verbrennungsmotor bis 2030 als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung überhaupt eine Koalitionsoption mit den Grünen sehe, sagte sie: "Das Wesen der Koalitionsverhandlungen ist, dass man Positionen räumt, die man im Wahlkampf gehabt hat. Insofern glaube ich, dass wir noch alle Chancen haben, da auch mit den Grünen überein zu kommen."

Der Dieselmotor habe einen geringen CO2-Ausstoff, Stickoxide würden in der neuesten Entwicklungsstufe durch Zuführung von Harnstoff weitgehend neutralisiert, sagte Zypries. Deswegen werbe sie dafür, dass Autoindustrie und Politik gemeinsam die Haltung verträten: "Jetzt verteufelt nicht den Diesel, sondern haltet ihn hoch und entwickelt ihn lieber weiter."

Die Autounternehmen hätten mit ihrem Betrug bei der Abgasreinigung für einen Glaubwürdigkeitsverlust der gesamten deutschen Wirtschaft gesorgt, kritisierte Zypries. "Das ganze Made in Germany ist ja irgendwie so ein bisschen angeknackst dadurch in der Wahrnehmung." Dies müssten die Autounternehmen bereinigen – am besten, indem "sie ordentliche, saubere Antriebe produzieren". Dabei könne es nicht nur um den Elektroantrieb gehen, sondern generell um alternative Antriebe wie etwa auch einen Kunsttreibstoff, Gas oder Wasserstoff.

VDA-Chef Wissmann räumte erneut ein, dass die Branche Vertrauen verspielt habe: "Es ist richtig: Mancherorts sind schwere Fehler passiert. Da ist diese Kritik berechtigt", sagte er der Zeitung. Es dürfe aber kein Pauschalurteil über die gesamte Branche gefällt werden. "Diesen wichtigen Unterschied machen sowohl Frau Merkel als auch Herr Schulz. Wer genau zugehört hat, weiß auch, dass beide den Diesel verteidigen und nicht nach Hardware-Nachrüstungen rufen." (apoi)