Bundestag: Künast fordert Enquete-Kommission zur Macht von Algorithmen

Die grüne Ex-Verbraucherministerin Renate Künast will Trends und Risiken digitaler Technik stärker ins Bewusstsein der Politik rücken; dabei stützt sie sich auf ein Gutachten zu Algorithmen. Sie spricht sich für eine Untersuchung durch den Bundestag aus.

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Renate Künast

(Bild: Bündnis 90 / Die Grünen)

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Renate Künast, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz, wirbt für eine umfassendere Auseinandersetzung der Politik mit der Macht von Algorithmen. "Künstliche Intelligenz, Automatisierung und Robotik brauchen eine breite Debatte", erklärte die Grüne gegenüber heise online. Der nächste Bundestag sollte ihr zufolge daher eine entsprechende Enquete-Kommission einrichten und dabei fraktionsübergreifend vor allem "ethische Fragen der digitalen Transformation" untersuchen. Künast fordert: "Wir müssen Spielregeln und Leitplanken aufzeigen für Versicherungen, Haftung und für den Datenschutz."

Hintergrund des Appells der Ex-Verbraucherministerin ist ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten zu "Instrumenten und Regelansätzen" rund um Algorithmen, das der wissenschaftliche Diensts des Bundestags angefertigt hat. In der heise online vorliegenden Kurzanalyse heißt es: "Eine Sensibilisierung der Nutzer für Prozesse und Mechanismen der Digitalisierung im Allgemeinen und für Desinformationsversuche insbesondere scheint zukünftig unerlässlich." Es bestehe Regelungsbedarf, der sich über ein weites Spektrum erstrecke.

Experten forderten bei algorithmischen Entscheidungsfindungen etwa eine größere Transparenz der Daten und einen "Zugriff für Wissenschaft und Regulierungsbehörden", schreiben die Verfasser. Vorschläge hierzu müssten "konsolidiert und für alle Disziplinen koordiniert und abgestimmt werden". Dabei gehe es auch um den Erhalt des Prinzips der informationellen Selbstbestimmung und eine "Identifizierung und Veröffentlichung" von als problematisch eingestuften Algorithmen.

Vor allem durch den zunehmenden Einfluss künstlicher Intelligenz (KI) auch in Bereichen wie "Predictive Policing" und bei digitalen Assistenten würden kritische Stimmen laut, ist dem Gutachten zu entnehmen: "Wie berechenbar ist der Mensch, wo ist der Einsatz von Algorithmen sinnvoll und wo ist er gefährlich? Wie kann der Einfluss transparent gemacht und kontrolliert werden?" Generell seien wissenschaftlich fundiertes Wissen, Transparenz, ethische Bewertung, demokratische Kontrolle und Aufklärung der Nutzer Grundvoraussetzung im Umgang mit digitalen Medien in einer digitalisierten Welt.

Für Künast ergibt die Übersicht des wissenschaftlichen Diensts großen Handlungsbedarf für die nächste Legislaturperiode: "Unternehmen weisen aktuell noch jegliche Transparenzverpflichtung mit Blick auf Geschäftsgeheimnisse von sich", moniert die Grüne. Gegen Missbrauch durch Ausspähung und Diskriminierung brauche es aber klare Regeln zugunsten des Verbraucherschutzes im Digitalen. Algorithmische Entscheidungen müssten anfechtbar und von Menschen überprüfbar bleiben. Für die Abgeordnete lautet die Devise: "Wissen, was drin ist." Dafür gelte es jetzt einen praktikablen Weg zu finden, ohne Innovation zu behindern.

Zuvor hatte sich auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) angesichts des zunehmenden Einflusses von Algorithmen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik für klarere und schärfere Regeln für Programmierer und Unternehmen ausgesprochen und ein "digitales Antidiskriminierungsgesetz" ins Spiel gebracht. Der Bundestag hatte zuletzt allgemeine Fragen rund um das Internet und die digitale Gesellschaft in der vergangenen Legislaturperiode in einer Enquete-Kommission bis Anfang 2013 erörtert. Algorithmengesteuerte Entscheidungsfindung und KI spielten damals noch keine große Rolle. Die Grünen suchen schon seit Längerem nach einer Ethik für smarte Maschinen und soziale Medien. (psz)