Vergessene Kulturtechnik

Fahrbericht: Unterwegs im VW Polo 1.0

Der Polo ist ein beeindruckend gutes Auto geworden. Was aber bleibt übrig, wenn er nicht mit der bei Pressetestwagen üblichen Vollausstattung gefahren wird, sondern so, wie die meisten ihn tatsächlich kaufen? Wir fuhren den Polo mit Dreizylinder-Saugmotor, Saugrohreinspritzung und 75 PS

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen
Unterwegs im VW Polo 1.0 12 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Wohltuend konventionell. Und zugleich exzellent. Der VW Polo ist ein beeindruckend gutes Auto geworden. Was aber bleibt übrig, wenn der Kompaktwagen nicht mit der bei Pressevorstellungen üblichen Vollausstattung gefahren wird, sondern so, wie Privatkunden ihn tatsächlich kaufen? Einen einfachen Polo, bitte! Ich habe eine entsprechende Anfrage an die Volkswagen Kommunikation geschrieben, und jetzt steht er da – nicht als völlig abgespeckte Basisversion. Aber eben mit sinnvollen Extras als Comfortline. Und vor allem mit dem Dreizylinder-Saugmotor.

Diese Maschine, im konkreten Fall in der stärkeren Variante mit 75 PS statt mit nur 65 PS Leistung, ist im Volkswagen-Konzern ein Exot: Mangels Turbolader und Direkteinspritzung gehört sie zu den wenigen Benzinbetriebenen, die nicht das Kürzel TSI tragen. Das hat allerdings nicht nur Nachteile. Bei den Partikelemissionen ist der Simpelantrieb nämlich genauso problemlos wie bei den Stickoxiden, und auch der CO2-Ausstoß bleibt akzeptabel: Im Durchschnitt nahm der Polo 5,6 Liter pro 100 Kilometer aus dem 40 Liter großen Tank. Das entspricht 132 g CO2 / km (NEFZ: 4,7 l, 108 g CO2 / km).

Kein Turbolader, keine Direkteinspritzung, kein Doppelkupplungsgetriebe und auch kein sechster Gang. Kein „Active Info Display“, sondern zwei analoge Rundinstrumente. Die Handbremse funktioniert über den klassischen Hebel zwischen den Vordersitzen, und der Motor startet über den Dreh des Zündschlüssels im Lenksäulenschloss. Ich. Vermisse. Nichts.

Allzweckauto für alle

Das, was den Polo ausmacht, haben ohnehin alle denkbaren Modellvarianten. Er passt. Ein Auto für so viele Anwendungsfälle wie möglich. Beim Raumangebot ist der Polo ungefähr so groß wie ein Golf IV, wobei er sich bei der Innenbreite (angenehm), dem Radstand (ein Plus für die Passagiere auf der Rückbank) und dem Kofferraum (351 Liter, beim aktuellen Golf sind es nur 29 mehr) deutlich vom Vorgänger absetzt. Diese Fahrzeugklasse hat noch nicht das Übermaß erreicht, das viele Autos besonders im Stadtverkehr unhandlich macht; der Polo lässt sich sorgenfrei durch enge Straßen lenken.

Überhaupt, die Lenkung: Sie ist leichtgängiger als beim alten Polo, bietet aber trotzdem eine hohe Präzision bei sehr guter Rückmeldung – ein wesentlicher Beitrag zum Eindruck des für wirklich alle Nutzer entspannt fahrbaren Autos. Der Qualitätseindruck ist ebenfalls ganz weit vorne, was unter anderem an der wirksamen Geräuschdämmung des Fahrwerks liegt. Kompakte Maße, anständige Lenkung, hochwertige Verarbeitung bei hohem Gesamtkomfort, so mag es der europäische Autokäufer.

Wenig beliebt dagegen ist die Preispolitik von Volkswagen. So hat der Trendline-Polo bis heute weder Klimaanlage noch Radio serienmäßig, weswegen die Kunden meistens zum mittleren Ausstattungsniveau Comfortline greifen. Lobenswert: Alle Polos haben ein radarbasiertes automatisches Notbremssystem. Das ist das Ergebnis des Drucks von EuroNCAP, dem Verein, der die Sicherheit im Pkw erhöhen und die Unfallzahlen senken will. Die Punktevergabe von EuroNCAP führt zugleich zu einer Seltsamkeit: Der Geschwindigkeitsbegrenzer ist grundsätzlich immer im Polo – die weiterführende Belegung des identischen Hebels mit der Tempomatfunktion kostet 205 Euro.