Zurück zur Gummi-Schiene

In Colorado soll ein abgespeckter Hyperloop enstehen, der mit dem ursprünglichen Konzept kaum noch etwas zu tun hat. Tatsächlich würde noch mehr technische Abrüstung das System noch effizienter machen.

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Was ist ein Hyperloop ohne Loop? Richtig: Hype. "The End of Traffic" kündigte Brogan BamBrogan vollmundig auf Twitter an. Er und drei seiner Kollegen sind im Streit bei Hyperloop One ausgestiegen und machen seitdem mit dem Start-up Arrivo ihr eigenes Ding. Nun wollen sie Denver mit einem eigenen "Hyperloop" beglücken – oder zumindest mit einem "System, das auf Elon Musks Hyperloop basiert".

Tatsächlich aber hat es mit der ursprünglichen Idee kaum noch etwas zu tun: Es gibt keine Vakuum-Röhre mehr, und es soll mit rund 320 km/h vergleichsweise gemächlich unterwegs sein. Tatsächlich handelt es sich schlicht um eine Magnetschwebebahn, aber das klang den Machern wohl nicht "hyper" genug. Der wesentliche Unterschied zum klassischen Transrapid-Konzept: Es soll auch Autos sowie Fracht transportieren.

Schon im nächsten Jahr soll, so die Vereinbarung zwischen Denver und Arrivo, eine Machbarkeitsstudie sowie der Bau einer Teststrecke beginnen. Langfristig wünscht sich Arrivo ein Netz von Hochgeschwindigkeitstrecken, die die wichtigsten Punkte des Großraums Denver in maximal 20 Minuten miteinander verbinden.

Auch wenn es schon eine beträchtliche Chuzpe braucht, eine gut abgehangene Technologie wie die Magnetschwebebahn als Hyperloop zu verkaufen – völlig falsch ist die technische Abrüstung nicht. Gerade auf kurzen städtischen Strecken ist ein Super-Duper-Hyper-Verkehrsmittel viel zu aufwendig, wie BamBrogan gegenüber Wired zugab: "Eine Röhre zu bauen und nahezu im Vakuum zu halten ist einfach zu kompliziert und teuer, um es zu versuchen." Und für lange Strecken seien Flugzeuge geeigneter.

In der Tat ist für den Weg von Haustür zu Haustür nicht die Spitzengeschwindigkeit entscheidend, sondern die Dichte an Haltestellen und die Taktfrequenz. Dafür ist eine Magnetschwebebahn schon besser geeignet als ein Hyperloop. Doch auch Magnetschwebebahnen benötigen teure Kupferspulen als Fahrbahn und aufwendige Weichen.

Für ein wirklich effizientes Nahverkehrssystem wäre eine weitere technische Abrüstung angebracht. Ich stelle mir da eine Straßenbahn light vor. Viele Städte, gerade in Schwellenländern, verzichten ja völlig auf irgendetwas Schienengebundenes und bauen stattdessen eigene Trassen für normale Busse ("Bus Rapid Transit"). Man elektrifiziere nun diese Busse – durch Batterien mit Induktionsladung, durch Oberleitungen oder Stromschienen – schrumpfe sie auf Kleinbus-Format und lasse sie im Gegenzug öfter fahren.

Durch die Gummireifen hätten diese E-Busse zwar einen höheren Rollwiderstand als Straßenbahnen, aber ich glaube nicht, dass so etwas kriegsentscheidend wäre. Dafür sind die E-Busse leiser, weil sie nicht in den Kurven quietschen, und flexibler, weil sie ihre Trassen zur Not auch verlassen können. Durch ihr geringeres Gewicht vereinfachen sie zudem den Bau aufgeständerter Trassen, etwa über bestehenden Autostraßen. Auf solchen dedizierten Fahrwegen ließe sich auch eine autonome Steuerung leichter realisieren als im Mischverkehr. Was nun noch fehlt, wäre ein intelligenter Algorithmus, der Passagiere so einsammelt, dass sie mit möglichst wenig Umsteigen möglichst nah an ihr Ziel kommen.

Solche Algorithmen könnten auch eine niedrigere Spitzengeschwindigkeit in gewissem Maße kompensieren, indem sie beispielsweise alle Passagiere, die zum Flughafen wollen, in einem Nonstop-Shuttle bündeln. Auf Schienen wäre das nicht so einfach, denn dafür bräuchte es aufwendige Überhol-Gleise in regelmäßigen Abständen. Ausweichbuchten oder durchgehende Überholspuren für Busse sind einfacher zu bauen.

Gerade Städte, die kein Tram- oder U-Bahnnetz haben, bekämen auf diese Weise ein wunderbar effizientes Verkehrssystem für Personen und Waren, das sicherlich nur einen Bruchteil dieser ganzen Hyperloop- und Transrapidphantasien kosten würde. Die Komponenten dafür sind schon vorhanden: Selbstfahrende "Podcars" verrichten etwa am Flughafen Heathrow seit Jahren ihren Dienst. Um das System für den Massenverkehr aufzubohren, würden sich die autonomen Shuttles der französischen Hersteller Easymile und Navya eignen. Ridesharingdienste wie Door2Door oder CleverShuttle könnten die passenden Algorithmen für effiziente Fahrten liefern.

Wenn die Jungs aus dem Silicon Valley nur halb so viel Energie darauf verwenden würden, aus diesen Komponenten ein effizientes System zu stricken, statt immer nur die Schnellsten sein zu wollen, sollten sich die verbleibenden technischen Hürden zügig überwinden lassen. (grh)