5000 Kilometer Radwege oder ein Sechstel Flughafen

Maßnahmen für saubere Luft müssen die Staatskasse nicht notwendigerweise viel Geld kosten. Im Gegenteil.

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Auf dem jüngsten Dieselgipfel hat die Bundesregierung den Kommunen eine Milliarde Euro versprochen, um etwa Busflotten auf Elektroantrieb umzustellen. Klingt erst mal nach viel. Aber was lässt sich damit wirklich anstellen? Dazu hier mal ein paar Zahlenspiele: Wie die Kollegen der Süddeutschen Zeitung vorgerechnet haben, bekäme man für die Summe lediglich 66 Kilometer Straßenbahnstrecke oder 5000 Kilometer Radwege oder 1500 neue Elektrobusse. Würde man mit dem Geld die Nachrüstung von Stickoxidfiltern subventionieren, würde das gerade einmal für rund 4,5 Prozent der zugelassenen 15 Millionen Diesel-PKWs reichen. Ach ja: 1,3 Elbphilharmonien oder ein Sechstel des Flughafens Berlin-Brandenburg wären mit der Summe ebenfalls drin.

Die Milliarde teilen sich Bund und Industrie – allerdings nicht zu gleichen Teilen: Mindestens drei Viertel davon schultert der Steuerzahler. Und derzeit ist offen, ob die Autobauer die verbliebenen 250 Millionen tatsächlich wie versprochen beisteuern werden. Opel, Ford und andere sich in ausländischer Hand befindliche Hersteller weigern sich noch, einzuzahlen. Zum Vergleich: Daimler machte vergangenes Jahr 8,5 Milliarden Euro Gewinn, VW 7,1 Milliarden, BMW 6,9 Milliarden. Selbst wenn VW als Verursacher der Krise den gesamten Industrie-Anteil alleine übernehmen würde, wäre das gerade einmal ein Achtundzwanzigstel des Jahresgewinns. Ganz andere Dimensionen haben da schon die rechtlichen Folgen des Dieselskandals: Satte 25 Milliarden Euro muss Volkswagen für Rückrufe, Strafen und Schadensersatz zurücklegen – also das 25-fache des Hilfsfonds.

Auch wenn es ärgerlich bis skandalös ist, dass der Steuerzahler möglicherweise noch zu einem größeren Anteil als bisher bekannt in die Bresche springen muss – Maßnahmen gegen schlechte Luft müssen nicht zwangsweise viel Steuergeld kosten, sie können auch welches einbringen. Allein die geringere Mineralölsteuer von Diesel summiert sich auf Steuerausfälle von knapp zehn Milliarden Euro pro Jahr, wie der Bundesrechnungshof jüngst monierte. Mit diesem Geld ließe sich nicht nur deutlich mehr beim Umbau des Nahverkehrs erreichen. Es würde auch die Fahrleistungen von Dieseln tendenziell senken, den grassierenden SUV-Wahn (hoffentlich) eindämmen und dem Verursacherprinzip gerecht werden. Denn bei aller berechtigten Schelte für die Autoindustrie sollte man nicht vergessen: Niemand ist gezwungen, seine Kinder mit einem 2,5-Tonner zum Hockeytraining zu fahren.

Doch für eine faire Besteuerung müsste sich die Bundesregierung mit den Autoherstellern und den Autofahrern anlegen, und das tut sie nicht gerne. Lieber schon macht sie sich halb Europa zum Feind durch eine Autobahn-Maut für PKWs. Diese würde selbst nach wohlwollenden Berechnungen nur etwas mehr als 500 Millionen Euro netto im Jahr einbringen, einige Experten rechnen sogar mit Verlusten. Die Koalition hat sich also eine ganze Legislaturperiode an einem Projekt abgearbeitet, das bestenfalls knapp ein Zwanzigstel so viel einbringt wie ein Ende der Diesel-Privilegien und schlechtestenfalls sogar Steuergelder vernichtet.

(grh)