Kurskorrektur

Shell wird Fahrenergie-Vollsortimenter

Der Mineralölkonzern Shell modifiziert seine Kraftstoffstrategie. Er will mit Lade- und Wasserstoffzapfsäulen die Claims der Zukunft abstecken. Neue Konkurrenz kommt dazu – in Form von Stromanbietern bei heimischer Ladung und privater Stromerzeugung

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Shell wird Fahrenergie-Vollsortimenter 8 Bilder
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  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Ein Supertanker ist schwer zu steuern. Der Mineralölkonzern Royal Dutch Shell ähnelt diesem Schiffstyp: Mit einem Jahresumsatz von fast 200 Milliarden Euro gehört das Unternehmen zu den größten der Welt. Kurskorrekturen wirken sich nur langsam aus. Umso auffälliger ist, dass Shell die eigene Kraftstoffstrategie leicht modifiziert. Shell wird zum Vollsortimenter – und steckt damit die Claims der Zukunft ab.

Kerngeschäft bleiben die Mineralölprodukte. Aus Sicht des Autofahrers sind das Dieselkraftstoff und Benzin. In Deutschland werden pro Jahr zusammen gut 40 Milliarden Liter dieser konventionellen Spritsorten in Pkws verbrannt. Allein die Energiesteuereinnahmen auf Diesel (inklusive Nutzfahrzeugverbrauch) und Benzin im Jahr 2016 betrugen laut Statistischem Bundesamt 35,7 Milliarden Euro; dazu addiert sich die Mehrwertsteuer.

Der Fahrenergieverkauf für den Straßenverkehr ist also jeder Hinsicht ein ganz großes Rad. Trotzdem ist die Zahl der Tankstellen seit Jahren leicht rückläufig. 2017 waren 14.510 in Betrieb, davon 1929 bei Shell (die Zahlen stammen vom Mineralölwirtschaftsverband). Etliche Standorte sind schlicht überflüssig. Vielleicht ist das einer der Handlungsgründe, neue Wege auszuprobieren.

Wasserstoff als vertraute Alternative

So gehört der niederländische-britische Mineralölkonzern zu den Aktiven beim Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur. In Hamburg zum Beispiel sind zwei H-Tankstellen in Betrieb, die unter anderem die Brennstoffzellen-Toyotas des Ridesharing-Anbieters Clever Shuttle versorgen. Der Aufbau einer Wasserstoff-Säule ist technisch keineswegs trivial und mit ein bis zwei Millionen Euro außerdem auf den ersten Blick teuer.

Bei genauerem Hinsehen relativiert sich die Investition jedoch. Nicht, weil der Staat Fördermittel gibt. Sondern weil die Investition in ein paar Wasserstoff-Tankstellen im Vergleich zu den Summen, die mit konventionellen Kraftstoffen umgesetzt werden, lächerlich gering ist.

Wasserstoff ist für die Mineralölkonzerne ohnehin ein vertrautes Produkt. Sie hantieren seit Jahrzehnten damit. Suspekt wird es erst, wenn die Fahrenergie quasi unsichtbar wird – beim Strom.

Mehrere Strom-Initiativen

Im April ist Shell dem Verein CharIn beigetreten, dessen Ziel die Standardisierung des Gleichstromladens ist. Andere Mitglieder sind Volkswagen, Tesla und Siemens.

Im Oktober hat Shell den niederländischen Mobility Service Provider New Motion gekauft. New Motion ermöglicht den Zugang zu mehr als 50.000 öffentlichen Ladestationen und ist damit die Nummer Eins in Europa.

Im Vereinigten Königreich baut Shell in Zusammenarbeit mit Allego aus den Niederlanden DC-Schnellladesäulen auf dem Gelände vieler Tankstellen auf. Der Preis pro kWh soll bis Juni 2018 von jetzt rund 56 auf dann etwa 27 Cent sinken.