Grüne Triebe am Finanzmarkt

Ein französischer Käse-Konzern hat mit Banken eine Kredit-Vereinbarung geschlossen, die an ökologische und gesellschaftliche Ziele gebunden ist – ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit im Finanzwesen, der aber nicht jedem gefällt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Der Winter ist noch nicht vorbei, aber am Finanzmarkt wird es bereits grüner: Wie der französische Käse-Konzern Fromageries Bel vergangene Woche mitteilte, hat er eine Kreditlinie von 520 Millionen Euro bei seinen Banken bis mindestens Dezember 2022 verlängert – und erstmals wurden dabei ökologische und gesellschaftliche Ziele definiert, die Bel als Kredit-Bedingungen erreichen muss.

Konkret hat sich das Unternehmen darauf verpflichtet, seine Treibhausgas-Emissionen zu verringern, in seinen wichtigsten Absatzländern Aufklärungsprogramme über Ernährung einzurichten und ein Programm für mehr Nachhaltigkeit in der Milchproduktion aufzulegen. Wenn diese Ziele nicht erreicht werden, muss Bel entweder durch direkte eigene Investitionen oder durch die Finanzierung von externen Initiativen für Abhilfe sorgen.

Die grün angehauchte Kredit-Vereinbarung ist nur das jüngste Beispiel für einen Trend zu mehr Verantwortungsbewusstsein – oder zumindest dem Anschein davon – in der Finanzbranche. Das Schlagwort dazu lautet ESG und steht für Environment, Society, Governance, also Umwelt, Gesellschaft und Unternehmensführung. Nicht mehr nur finanzielle Kennzahlen wie der Gewinn pro Aktie fließen also in Anlageentscheidungen ein, sondern eben auch ESG-Kriterien. Das entspricht zum einen den Wünschen von Politikern und ihren Wählern, zum anderen gibt es Belege dafür, dass sich Unternehmen mit guter ESG-Performance auf Dauer auch wirtschaftlich besser entwickeln.

So oder so haben sich inzwischen Anlagegesellschaften, die zusammen rund 70 Billionen Dollar an Vermögen verwalten, den im Jahr 2006 verabschiedeten Prinzipien für verantwortungsbewusstes Investieren (PRI) der UN angeschlossen. Damit verpflichten sie sich unter anderem darauf, ESG-Kriterien in ihre Anlageprozesse aufzunehmen und Unternehmen, in die sie investieren, zu deren Berücksichtigung anzuhalten. Zu den PRI-Unterzeichnern aus Deutschland zählt unter anderem die Deutsche Bank.

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Damit wächst die Nachfrage nach ökologisch und gesellschaftlich korrekten Anlagemöglichkeiten, und Unternehmen und die Finanzbranche reagieren darauf. Bei festverzinslichen Anlagen gibt es mittlerweile ein ansehnliches Volumen an so genannten Green Bonds, also grünen Anleihen, deren Emittenten ebenfalls ESG-Kriterien erfüllen müssen. Das Emissionsvolumen hat hier schon im November 2017 die Marke von 100 Milliarden Dollar durchbrochen, unter anderem mit einer grünen Anleihe über 850 Millionen Euro der RWE-Tochter Innogy. Für dieses Jahr wird ein weiterer Anstieg des Emissionsvolumens erwartet.

Die Kredit-Vereinbarung von Fromageries Bel aber dürfte der erste größere Fall sein, in dem es nicht um eine Anleihe für den Kapitalmarkt geht, sondern um einen direkten Kredit von Banken an ein Unternehmen. Vorerst dürfte sie vor allem einen Marketing-Hintergrund haben, denn von höheren Zinsen oder gar einer Kündigung der Kreditlinie bei einer Verfehlung der ESG-Bedingungen ist in der Bel-Pressemitteilung nicht die Rede. Auch gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung hehrer ESG-Prinzipien gibt es noch nicht – wer dagegen verstößt, muss einstweilen nicht mehr fürchten als einen Reputationsschaden.

Doch das könnte sich bald ändern. In der EU arbeitet eine hochrangige Expertengruppe unter Beteiligung von Wissenschaftlern an klareren Definitionen für Nachhaltigkeit in der Geldanlage; ein Bericht von ihr wird für diesen Januar erwartet. Und Valdis Dombrovskis, der für Finanzregulierung zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, sagte zuletzt in einem Interview, die Kommission habe eine positive Einschätzung zu Überlegungen, die Kapitalanforderungen für Banken bei grünen Investitionen zu verringern.

Ein solcher Schritt hätte tatsächlich das Potenzial, die Finanzbranche nachhaltig nachhaltiger zu machen: Wenn Banken Kredite vergeben, müssen sie einen bestimmten Teil des Volumens als Kapitalreserve in ihrer Bilanz halten – und je geringer dieser Anteil ist, desto mehr Kredite können sie vergeben, ohne teures neues Kapital aufzunehmen. Genau darauf laufen die Überlegungen in der EU hinaus. Also könnte es bald einen direkten finanziellen Anreiz für Banken geben, bevorzugt Unternehmen zu finanzieren, die im ESG-Bereich fortschrittlich sind.

Kritiker warnen allerdings, dass damit unterschiedliche politische Ziele vermischt werden. Die Vorschriften zu den Kapitalreserven dienen dazu, das Bankensystem stabiler zu machen – wie wichtig das ist, hat zuletzt die Finanzkrise 2008/2009 gezeigt. Ökologische und gesellschaftliche Ziele dagegen sind ein ganz anderes Thema. Nach Ansicht mancher Beobachter sollte der Staat deshalb lieber mit anderen Instrumenten wie beispielsweise Steuervergünstigungen versuchen, Unternehmen und ihre Banken hier in die gewünschte Richtung zu lenken.

(sma)