Der Pionier als Schlusslicht

In der Öffentlichkeit wird Tesla als führend bei autonomen Autos wahrgenommen, doch Analysten sind ganz anderer Ansicht. Hat sich der Gründer Elon Musk mit seinen eigenwilligen Plänen übernommen?

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Von
  • Sascha Mattke
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Besitzer von neueren Autos der Marke Tesla bekamen zu Beginn dieses Jahres ein verspätetes Weihnachtsgeschenk: Mit einem Software-Update sorgte das Unternehmen dafür, dass Model S und Model X Regen erkennen und somit bei Bedarf automatisch die Scheibenwischer aktivieren können. Damit schloss Tesla eine peinliche Lücke im Funktionsumfang seiner teuren Hightech-Karossen – ein Regensensor gehört heute bei den meisten hochwertigen Autos zum Standard und ist selbst in günstigeren Modellen in Serie oder als Extra zu haben.

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Dass Tesla diese Funktion erst nachliefern musste, ist mehr als eine Petitesse: Es lässt hartnäckige Probleme des Elektroauto-Pioniers bei der Realisierung seiner Vision vom autonomen Fahren erkennen. Im Sommer 2016 hatte der Zulieferer Mobileye die Zusammenarbeit bei Teslas Autopilot-Assistenzsystemen aufgekündigt. Tesla-Gründer Elon Musk führte daraufhin neue Hardware mit mehr Kameras und Sensoren sowie eigene Software ein und versprach, bis Ende 2017 werde ein so ausgerüsteter Tesla in den USA vollkommen autonom von Küste zu Küste fahren.

Doch während die Regen-Erkennung mittlerweile passabel funktioniert, warten Tesla-Besitzer weiter darauf, dass der neue Autopilot (AP2) erst einmal zumindest so zuverlässig wird wie der mit Mobileye entwickelte Vorgänger AP1. Eine Studie der Marktforschungsfirma Navigant Research von diesem Januar sieht Tesla sogar auf dem letzten Platz von 19 Anbietern, die an Technik für autonomes Fahren arbeiten, gleichauf mit Apple. Ganz vorne stehen dagegen GM, die Google-Tochter Waymo und Daimler zusammen mit Bosch. „Tesla vermarktet den Autopiloten zwar aggressiv, tut sich aber seit dem Ende der Zusammenarbeit mit Mobileye schwer, mit seinem intern entwickelten System das gleiche Niveau an Funktionalität zu erreichen“, schreiben die Analysten.

Sollte Tesla als ein Unternehmen, das sonst als Inbegriff von schnellen Innovationen gilt und seit der AP2-Einführung sogar zusätzlich „volles Potenzial für autonomes Fahren“ verkauft, hier in Wirklichkeit ins Hintertreffen geraten sein? In Foren finden sich immer noch reichlich Berichte über unvorhersagbares Verhalten des neuen Autopiloten; und während der AP1 schon Schilder-Erkennung beherrschte, bezieht AP2 Informationen zu Tempolimits weiter aus einer Datenbank, die gelegentlich veraltet ist, und reagiert entsprechend falsch.

Dabei hat der AP2 seit der Neueinführung durchaus einige Fortschritte gemacht. Bis Ende 2016 mussten Käufer neuer Teslas nicht nur auf die Regen-Erkennung verzichten, sondern auch auf automatisches Licht bei Dunkelheit, Kollisionswarnungen, einen adaptiven Tempomaten und mehr. All das ist inzwischen – meist ohne große Ankündigung über automatische Updates – nachgereicht, und auch die Beschwerden über Fahrfehler des Autopiloten werden seltener. Für manche hat er inzwischen fast den Gleichstand mit AP1 erreicht – doch der ist angesichts der Fortschritte anderer Anbieter eben schon lange nicht mehr die Referenz.

Auf der anderen Seite hat Tesla Elon Musk, und der hat schon mehr als einmal bewiesen, dass er schwer zu glaubende Ankündigungen umsetzt, wenn auch gern mit erheblicher Verspätung. Und was seinen Autopiloten angeht, scheint er weiter guter Dinge zu sein. „Sorry für die Verzögerung. Wir haben das bislang fortgeschrittenste neuronale KI-Netz aller Verbraucher-Produkte, also durchläuft es umfangreiche Tests. Die Ergebnisse hauen mich von den Socken, und ich glaube, Sie werden es ähnlich erleben“, antwortete er Ende Dezember 2017 auf Twitter einem Nutzer, der um Verbesserungen des AP2 gebeten hatte.

Zweifler gibt es trotzdem genug. „Zu glauben, dass man alles, was man für vollständiges autonomes Fahren braucht, nur mit Kameras und Radar sehen kann – ich weiß nicht, wie das gehen soll“, sagte Scott Miller, Leiter der Integration für autonome Autos bei GM, im Oktober 2017 in einem Fernseh-Interview. Damit spielte er auf die Tatsache an, dass Tesla anders als alle anderen Anbieter auch dauerhaft ohne Lidar auskommen will. Auf dieser Laser-Sensortechnik ruhen große Hoffnungen, weil sie ein präziseres Bild der Umgebung liefert. Andererseits ist sie bislang teuer, und bei starkem Regen oder Nebel weniger leistungsfähig als Radar.

Wieder einmal steht Musk mit seinen Autopilot-Plänen quasi allein gegen den Rest der Welt. Die angekündigte autonome Fahrt von Los Angeles nach New York hat er inzwischen verschoben, aber nicht abgesagt, und erklärt, Tesla entwickele sogar eigene Spezialchips für autonomes Fahren. Doch die Konkurrenz ist, wie die Navigant-Studie zeigt, mittlerweile alles andere als schläfrig, so dass schwer abzusehen ist, wer das Rennen um autonomes Fahren gewinnen wird. Immerhin können sich Tesla-Besitzer einstweilen damit trösten, dass sie in ihrem Auto jetzt nicht etwa einen ganz normalen Regensensor haben, sondern einen Supercomputer, dessen hochmoderne Software auf Kamerabildern auch Regen erkennt.

Tesla Model 3 (6 Bilder)

Der Zeitplan sah vor, die Model-3-Produktion bis Dezember 2017 auf 20.000 Exemplare pro Monat zu steigern.
(Bild: Tesla)

(sma)