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Was war. Was wird. Am Anfang war das Wort und das Wort war Digitalisierung.

"Politiker, Journalisten und Psychopathen", das ist eine ganz eigene Filterblase. Die Blasen aber sind längst geplatz, zieht Hal Faber Bilanz. Zwischen Digitalisierung und rechtem Gegrunze gibt sich selbst auf, was sich mal für fortschrittlich hielt.

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Was war. Was wird. Am Anfang war das Wort und das Wort war Digitalisierung.

Nein, der grunzt nicht. Bei all dem Elend darf es aber auch mal ein hübsches Bild sein - immerhin können die aber auch ganz schön bissig sein (die Abgebildeten, nicht die Bilder).

(Bild: edmondlafoto, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

"Vorwärts, und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht ..."

(Bild: Screenshot, Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt (der Film))

*** Alles wird gut. Es hat etwas gedauert, aber es hat geklappt: Deutschland hat eine Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothea Bär von der CSU. Als Gegnerin des Leitsungsschutzrechtes und der Vorratsdatenspeicherung ist sie die ideelle Nachfolgerin von Gesche Joost, die unter dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück anno 2013 für das hohe Amt vorgesehen war. Damals klappte es nicht mit dem Wahlsieg und der Digitalisierung, weshalb Peer Steinbrück jetzt Spezialist für "Zukunftsgene" ist und als Genosse das Elend der Sozialdemokratie vermarktet. Welchselbige nicht mehr politischer Arm der Arbeiterklasse ist, sondern ein Kampfverband für die Einhegung des Kapitalismus sein soll. Alle Bytes stehen still, wenn dein starker Arm es will! So gesehen ist das wichtigste SPD-Projekt nach der Einhegung von Kevin Kühnert das Schuldingsbums Calliope, vorgestellt und beworben von der Internetbotschafterin Gesche Joost.

*** Außer geschmackvoll inszenierten Portraits, die Kunsthistoriker erschauern lassen, hat Dorothea Bär noch kein cooles digitales Gadget. Sie hat sich deshalb ganz geschickt ans Fliewatüüt gehalten, als sie im Interview von einer gereizten Journalistin zu dieser Digitalisierung befragt wurde. So ein Fliewatüüt oder Flugtaxi ist halt deutlich mehr als der Breitbandausbau mit der verflixten Glasfaser, die man schon längst verlegt hätte haben können. Und mit dem Lilium und Volocopter oder eben Terrafugia gibt es eine ganze Reihe von real existierenden Projekten für Doro, Robbi und Tobbi.

*** Denn seien wir ehrlich: Ganz so einfach ist diese Digitalisierung ja nicht zu erklären, da hilft schon etwas Fluggerät, ein Hoverboard oder ein Raketen-Jetpack, eben alles, was schwer nach Zukunft aussieht. Was sie mit den Menschen anrichtet, ist hingegen gar nicht so einfach zu erklären. Noch die einfachste Art der Erklärung wäre der Blick auf das Smartphone. Alles, was diese langweiligen Dinger können, wird in den nächsten Jahren enger mit dem Körper verwachsen und mit Brille und Gestik gesteuert werden. So wäre es naheliegend, wenn Staatsministerin Bär mit einer großen Regierungsdatenbrille dem eisigen Blick von Frau Slomka trotzt, wenn diese wieder einmal von ihr wissen will, was Sache ist. Sie hat ganz interessante Wünsche, was die Digitalisierung anbelangt: "Ich wünsche mir wieder eine Echtzeitleiste, die die Menschen nicht nur mit dem konfrontiert, was sie wissen wollen, sondern auch mit dem, was sie wissen müssen, was gerade im Moment passiert", heißt es in diesem Interview. Google soll nicht uralte Beiträge nach oben spielen und das Seniorennetzwerk Facebook soll auch mal einen flotten Blick in die Zukunft riskieren. Flott ist sie ja, die digitale Frontfrau, die in einer ganz eigenen Filterblase lebt: "Auf Twitter sind ohnehin nur Politiker, Journalisten und Psychopathen unterwegs." Dann macht es auch nix, wenn eine Staatsministerin nicht belegbare flotte Sprüche von Kaiser Wilhelm und Henry Ford in die Welt setzt, die echter Recherche nicht standhalten.

*** "Es gibt bei der FAZ nicht zu selten eine gewisse, auch offen zur Schau getragene Geringschätzung von Publikationsformen im Netz." So beginnt der letzte Beitrag an der Blogbar. Pech für Don Alphonso, dass genau diese Geringschätzung ihn selbst ereilt, der gleich zwei Blogs bei der FAZ betrieben hat. In ihnen erklärte er die Welt aus der Perspektive der feinen Leute, die mehrere Wohnungen besitzen und nicht auf Erwerbsarbeit angewiesen sind. Zunehmend wurden die Erklärungen verbiestert und verbittert, garniert mit einem tiefen Hass auf Berlin, wo er tiefste Verletzungen erlitten haben muss. Am Ende waren seine Beiträge nur noch wehleidig und nicht mehr unterscheidbar von "all den Klonovskys, Danischs, Tichys und Konsorten". Daraus zog die FAZ mit einer ausgesuchten Beleidigung ihre Konsequenzen. "Wir wollen die Blogplattform wieder stärker als Experimentierfeld für neue journalistische Formate nutzen, d.h. kreativen Ansätzen größeren Raum geben, auch häufiger neue Themen ausprobieren." Wer im besten Dummdeutsch "kreativen Ansätzen größeren Raum" geben will, kann das im expandierenden Internet ganz ohne den Rauswurf eines Bloggers mit einer Dumpfbackenkorona.

*** Was bleibt, sind die Texte des Eribons der deutschen Mittelklasse, die es sich zu lesen lohnt, wie dieses kleine Geburtstagsständchen. Was sicher kommen wird, sind originelle neue Beleidungen im Namen des vermögenden Deutschlands. Da es ohne diese neumodischen Disclaimer nicht geht: Jawohl, ich bin befangen, weil für dieses Buch ein Vorwort verfasst wurde, in dem es heißt: "Gerade weil sie so eng verwandt sind, weil beide mit der Sprache wie mit dem dauernden Veröffentlichungszwang kämpfen, beobachten sich Blogger und schreibende Journalisten eifersüchtig, stänkern gegeneinander und werfen sich gegenseitig Plagiarismus vor – und lernen doch voneinander." Und die FAZ wird nicht die taz, weil diese eine Kommune wird, was den Herren im Hellerhof ganz sicher ein Graus ist.

*** Mit Uwe Tellkamp hat ein weiterer besorgter Deutscher einen selbst gebastelten Gesinnungskorridor betreten und macht sich Sorgen um das Land mit seiner ach so linken Meinungsdiktatur. Auch hier ist die Wehleidigkeit groß: "Gucken Sie sich Sarrazin an, was dem Mann angetan wurde!', rief Tellkamp in einer Diskussion in Dresden. Ja, wie denn, was denn? Der Mann hat Bücher in Millionen verkauft und bestens an Vortragsreisen verdient. Gehetzt wurde er allenfalls von seinem Lieblings-Interviewer Frank Schirrmacher, der zur Buchmesse einen Reporter auf Sarrazin ansetzte. Die Empörung ist offenbar groß, dass Sarrazin überhaupt widersprochen wurde und dieses verkorkste rechte Konstrukt einer jüdisch-christlichen Kultur nicht anerkannt wird. It's the Kultur, Stupid, schrieb Timothy Gordon Ash treffend dazu. Unsere Kultur gehört uns, uns allein in ihrer ganzen Engstirnigkeit und Abschottung.

*** Aber so ist das halt, wenn das ewige Gejammer der Rechtsnationalisten über die linke Meinungsdiktatur (meist getreulich von den von ihnen so genanten meinungsdikatatorischen Staatsmedien wiedergegeben) nur noch in einem dumpfen "man wird ja noch mal sagen dürfen ..." endet. Ja, man darf vieles sagen. Und man darf vieles dagegen sagen. Dass diejenigen, die über Meinungsdikaturen jammern, von öffentlichem Widerspruch, gar Kritik, so gar nichts halten, sollte sie eigentlich genug entlarven. Eigentlich.

*** Rechtsnationalisten? Ja, gibt's denn auch Linksnationalisten? Leider, wieder. Es gibt offensichtlich zu viele, die den Populisten aus der rechten Ecke auf den Leim gehen und meinen, dass aus dem Ruder laufende Identitätspolitiken Grund genug seien, sich die Parolen der völkischen Volksverführer zu eigen zu machen. Dass dem Beifall geklatscht wird, weil man dann als linker Volksversteher – #meetoo hin, #Freital her – auch endlich mal wieder ein bisschen sexistisch und rassistisch sein darf, ist das viel größere Elend als das wehleidige Grunzen der rechtspopulistischen Hackfressen.

Wo die Abschottung nicht recht geklappt hat, liegen die Glasfasern des Informationsverbundes Berlin Bonn blank wie die Nerven der Betroffenen im Auswärtigen Amt. Das Ministerium, das wie kein Zweites mit seinen Diplomaten autonom arbeiten kann (ob Maas oder Memel ist wurscht), ist mit seinen Dokumenten über die Lage auf der Krim oder auf dem Kim ein lohnenswertes Ziel für Ausleitungen aller Art. Nach offizieller Darstellung sollte es nur zwei kontrollierte IVBB-Übergänge zum Internet geben, doch mittlerweile finden sich Dutzende von Ab- und Zuflüssen wie beim Nildelta. Dazu gibt es Angriffsversuche via Outlook, die Rückschlüsse auf eine russische Tätergruppe zulassen sollen. Möglicherweise ist auch veraltete Open-Source-Software von den Angreifern genutzt worden. Angeblich entwichen Daten der Fluggäste aus einer Datenbank, die erst im Wonnemonat Mai ihre Überwachungsgeschäfte aufnehmen soll.

Auch ne Art von Ausleitung.

(Bild: 127071, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Gut möglich, dass ein erster Pentest mit Beteiligung des BSI für Verwirrung sorgte. Genug Stoff also für die Frage, ob die IT-Sicherheit in der Krise ist, wie sie sich das anstehende a-i3/:BSI-Symposium stellt. Welche Verantwortung hat der Staat, welche hat die Industrie, wenn es um die Sicherheit beim E-Government geht? Denn das ist ja auch Digitalisierung, nur in echt. (jk)