Richard Gutjahr und sein endloser Kampf gegen den "Shit-Tsunami"

Der Anschlag von Nizza, der Amoklauf von München: Bei beiden Ereignissen war Journalist Richard Gutjahr zufällig vor Ort und berichtete. Stoff für Verschwörungstheoretiker und Hetzer, die den Blogger nicht in Ruhe lassen. Aber Gutjahr gibt nicht auf.

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Richard Gutjahr und sein endloser Kampf gegen den "Shit-Tsunami"

(Bild: dpa / Erwin Elsner)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Aleksandra Bakmaz
  • dpa
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"Die Digitalisierung – kein Kurzstreckenlauf, vielmehr ein Marathon", schreibt Internet-Experte Richard Gutjahr in seinem Blog. Einen anderen Marathon absolviert der Journalist seit mehr als 20 Monaten. Es ist ein Lauf gegen Verschwörungstheoretiker, gegen Hasskommentare und Videos im Netz. Hetze, die sich schon lange nicht mehr ausschließlich gegen ihn richtet, sondern auch seine Frau und Tochter betrifft.

Mit beiden macht er 2016 Urlaub in Frankreich, als sein Leben beginnt, eine unerwartete Wendung zu nehmen. Zufällig wird er am 14. Juli Zeuge des Terroranschlags in Nizza, bei dem 86 Menschen ihr Leben verlieren. Er filmt und berichtet als Journalist des Bayerischen Rundfunks (BR) für die ARD darüber. Nur acht Tage später wird Gutjahr wieder Zeuge eines dramatischen Verbrechens: dem Amoklauf am Olympia-Einkaufszentrum in seiner Heimatstadt München mit neun Toten. Er berichtet erneut.

An Zufälle wollen Verschwörungstheoretiker nicht glauben. Sie sprechen von inszenierten Terroranschlägen" und "Indizienketten", werfen dem Journalisten unter anderem vor, Mitarbeiter eines Geheimdienstes zu sein und von den beiden Attentaten gewusst zu haben. Sein Ziel? Nichts Geringeres als die Weltherrschaft.

Seitdem nehmen die Verleumdungen und Drohungen gegen Gutjahr und seine Familie kein Ende mehr. Vor knapp drei Monate wendet sich der 44-Jährige mit einem Beitrag in seinem Blog an die Öffentlichkeit. In "Unter Beschuss" beschreibt er seine Situation und den Kampf gegen den "Shit-Tsunami". Gutjahr macht seine Geschichte publik.

Dabei habe er zunächst eine ganz andere Strategie gehabt, sagt er: "Bloß nicht weiter in Erscheinung treten, zurückziehen, einigeln, warten bis sich der Sturm legt", erklärt Gutjahr. "In der Rückschau muss ich sagen, das war der größte Fehler, den ich gemacht habe." Das habe die Sache nicht besser gemacht, sondern schlimmer. "Wenn du Dinge unkommentiert stehen lässt, tauchen sie immer und immer wieder auf", sagt der Journalist und meint damit vor allem die Videos auf Facebook und YouTube, die ihn und seine Familie etwa als Teil eines geheimen Netzwerks von Agenten darstellen.

Was ihn besonders erschreckt hat? "Die Tatsache, dass viele der Hetzer unter ihrem echten Namen posten", sagt Gutjahr. "Als sei es völlig okay, Menschen öffentlich auf Facebook in die Gaskammer zu wünschen." Gutjahr klagt vor Gericht. Das aber nur begrenzt erfolgreich, wie der Blogger berichtet. Denn viele seiner Peiniger ignorierten die Urteile einfach.