Richard Gutjahr und sein endloser Kampf gegen den "Shit-Tsunami"
Seite 2: Netzwerkdurchsetzungsgesetz hilft nur bedingt
Auch das Anfang des Jahres in Kraft getreten Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Hass im Netz unterbinden soll, helfe nur bedingt. Gut daran sei, dass soziale Netzwerke wie Facebook nun auch juristische Anlaufstellen in Deutschland hätten. Sicher sei aber: "Einen Großteil der Probleme hätten wir gar nicht, wenn wir schon vorhandene Gesetze im Netz anwenden würden." Derzeit werde das nur teilweise gemacht.
Der Staat lagere mit dem "Netz-DG" die Rechtsprechung quasi an Facebook und Co. aus. "Die Politik läuft der Gesellschaft seit der Digitalisierung nur noch hinterher", sagt Gutjahr. Man müsse aber aufpassen, dass ein Schicksal wie seins und seiner Familie in fünf Jahren nicht zum Massenphänomen werde. Gutjahr ist nicht der einzige, der mit Hassbotschaften im Internet zu kämpfen hat. Auch ZDF-Moderatorin Dunja Hayali (43) hat es immer wieder mit wüsten Beschimpfungen auf Twitter oder Facebook zu tun.
"Das Thema ist zu mir gekommen – und nicht ich zu dem Thema", sagte sie kürzlich in einem Vortrag zum Thema Hass im Netz an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie habe sich ein sehr dickes Fell zugelegt. "Doch sobald es gegen meine Familie geht, hört der Spaß auf."
"Wo Licht ist, da ist auch Schatten"
Und Gutjahr? Sein Kampf geht weiter. Trotz der Gefahr, dass er mit der Öffentlichkeit das befördern könnte, wogegen er eigentlich ankämpft. "Meine Situation war sowieso hoffnungslos", sagt der Moderator. Das Ganze sei immer näher gekommen. "Viele Freunde kamen zu mir und meinten: Hey, ich habe da neulich was von dir im Internet gesehen. Ich glaub da ja nicht dran – aber."
Doch trotz solcher Erfahrungen, zu einem Netz-Gegner hat sich der Journalist, der 2010 in New York weltweit als erster Kunde ein iPad in den Händen hielt, nicht entwickelt. "Wo Licht ist, da ist auch Schatten." Die Technik sei immer nur so gut wie die Menschen, die sie benutzten. Er sei überzeugt, dass die Vorteile durch die Vernetzung größer seien als die Nachteile. "Wir haben durch die schönen neuen Geräte Zugriff auf Informationen, wie sie vor 20 oder 25 Jahren vielleicht nur Staatschefs oder Universitäten hatten." Das sei das Positive. Und das Negative? "Dass man so ein Instrument natürlich auch als Waffe verstehen muss." Und den verantwortungsvollen Umgang damit hätten wir alle nicht beigebracht bekommen. (anw)