Kommentar: Durch Upload-Filter werden Internet-Postings zur Glückssache

Beim Upload-Filter trifft ein maximal sensibles Feld wie die Meinungsfreiheit auf maximale technokratische Intransparenz.

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Kommentar: Internet-Postings werden zum Glücksspiel

(Bild: geralt / gemeinfrei)

Lesezeit: 3 Min.

Nun hat er es also tatsächlich getan – der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat für einen Upload-Filter gestimmt (gemeinsam übrigens mit dem ebenso hirnrissigen Leistungsschutzrecht). Damit ist die Sache zwar noch nicht endgültig durch, aber in der Regel folgt das Parlament dem Votum des entsprechenden Ausschusses.

Das bedeutet: Plattformbetreiber wie YouTube oder Facebook müssen Inhalte, die sie urheberrechtsmäßig für problematisch halten, demnächst schon vor dem Hochladen löschen. Damit wird wieder einmal eine höchst diffizile Entscheidung – wo hören Zitat, Mem, Mashup oder Parodie auf, wo beginnt das Plagiat – an tumbe Null-Eins-Algorithmen delegiert.

Ob ein eigener Beitrag erscheint oder nicht, dürfte künftig Glücksache sein. Die Chancen, von einem Plattformbetreiber eine verbindliche Auskunft darüber zu erhalten, warum etwa ein bestimmter Inhalt blockiert wurde und ein anderer nicht, sind unterirdisch gering. Schon allein deshalb, weil sie wahrscheinlich selbst nicht wissen, was genau sich ihr Algorithmus bei dieser oder jener Entscheidung gedacht hat. Ein maximal sensibles Feld wie die Meinungsfreiheit trifft also auf maximale technokratische Intransparenz. Super! Genau so muss es laufen mit der Digitalisierung.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 Redakteur bei Technology Review. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

Einen Vorgeschmack auf die ganze Absurdität, die nun vermutlich auf uns zukommen wird, habe ich schon vor ein paar Jahren beim Versuch bekommen, ein Video wirklich legal mit Musik zu unterlegen. Was mir dabei auch aufgefallen ist: Selbst wenn man willens ist, Künstler fair für die Verwendung ihrer Arbeit zu entlohnen, gibt es dazu einfach keine Möglichkeit. Alles läuft über Verwertungsgesellschaften, die ihrerseits gerne Bollwerke der Intransparenz sind.

Leute: Hört doch bitte auf, mir vorzuquengeln, die Internetnutzer seien alles Piraten und Raubkopierer. Sondern macht mir ein Angebot, wie ich Inhalte bequem und legal nutzen kann. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, schon beim Kauf eines Musikstücks einen Aufpreis für die Weiterverwertung zu zahlen. Oder eine kostenpflichtige, aber werbefreie Videoplattform, bei der gewisse Verwertungsrechte schon pauschal abgegolten sind. Technisch sollte sich sowas doch per Blockchain hinkriegen lassen.

Aber für eine solche Lösung haben wahrscheinlich zu viele Parteien mit eigenen Interessen ihre Finger im Spiel, die sich in den wenigsten Fällen mit denen der Künstler und Nutzer decken dürften. Da ist es natürlich viel einfacher, die Politik so lange mürbe zu lobbyieren, bis sie zur einfachsten und schlechtesten Lösung greift.

Zu Upload-Filtern und Leistungsschutzrecht in der geplanten EU-Coypright-Reform siehe auch den Kommentar von Holger Bleich:

Zu den Beschlüssen und dem Widerstand dagegen siehe:

(anwe)