Überreizt

Fahrbericht Renault Mégane RS

Die Renaultsport-Variante des Haus-Kompakten Mégane brillierte stets durch ihren einfachen, aber gut gemachten Aufbau. Jetzt wird der Wagen breiter und mit EDC und Vierradlenkung auch komplizierter. Leider, wie eine Ausfahrt zeigt

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Renault Mégane RS 26 Bilder

(Bild: Clemens Gleich)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Renaults Mégane RS gehörte immer zu meinen Lieblingen. Als einziges Angebot im Markt der Hot Hatches schaffte er das besser, was Volkswagens Golf GTI so erfolgreich macht: eine passende Balance zwischen Einkaufen fahren und über die Nordschleife holzen. Diese Balance zeichnete den GTI stets aus. Aber irgendwie machte mir der RS bei vergleichbar guter Balance schon beim Herumbummeln mehr Spaß, und er schien mir obendrein weniger empfindlich auf der Nordschleife, auf der der GTI in meinem Test reproduzierbar ins Notprogramm fiel.

Ein Grund für den Erfolg, für die Freude an diesem Auto lag sicher in der Konzentration auf das Wesentliche: gutes Fahrwerk und verwertbare Leistung, die man auf die Straße bringt, zu einem bezahlbaren Preis. Von diesem Konzept verabschiedet sich Renault im aktuellen Modelljahr etwas mit aktiver Hinterradlenkung und Doppelkupplungsgetriebe, also erheblich erhöhter Komplexität.

Störrischer Esel

Komplexität sollte man als Fahrzeugbauer behandeln wie Fahrwerks-Dämpfung, wenn was Gescheites herauskommen soll: nur so viel wie nötig. Der zusätzliche Aufwand will ja verarbeitet werden. Schon bei Renaults Doppelkupplungsgetriebe im RS würde ich sagen: lieber die einfacher aufgebaute Handschaltung kaufen. Zwar knallt das EDC genannte System die Gänge in den Sportmodi zackig rein und rülpst asozial aus dem Auspuff dazu, aber die Langsamfahrt-Performance jeder Art mit diesem Getriebe ist eine Frechheit. Es ruckelt bei kleinsten Lastwechseln hin und her wie ein störrischer Esel, was am enormen Antriebsspiel liegen könnte, das man bei Renault und auch in deren Ablegern bei Dacia häufiger antrifft. Schwer vorstellbar, dass da jemand in der Endabnahme gesagt hat „Wurscht, das verkaufen wir jetzt so!“, aber so war es offenbar.

Der Arsch lenkt mit

Etwas ähnliches gilt für die aktive Hinterachslenkung, die je nach Fahrzustand mal mit, mal entgegen der Vorderräder einlenkt. Solche Systeme gibt es seit Jahrzehnten, und wenn sie gut gemacht sind, fühlt der Fahrer am Lenkrad nichts außer einer besseren Handlichkeit – funktionale Transparenz. Das ist im RS nicht so. Du lenkst ein. Dann lenkt das Auto hinten. Dann musst du vorne nachkorrigieren. Dann macht der Arsch wieder was. Und so weiter. Die Vorhersehbarkeit der Lenkung ist dahin.

Beim Rundenzirkeln auf der Rennstrecke wird das wahrscheinlich super funktionieren, denn dort gibt es eine ganze Streckenbreite Platz und alles passiert mit mehr Gewalt. Auf schmalen Schwarzwaldsträßchen dagegen fährst du entweder in Zehntelsekunden zentimetergenau oder furchst mit den Felgen durch die Türen des Opel Agila, der dir in deine Spur fährt, weil sein Fahrer … naja: einen Agila fährt, was will man dazu mehr sagen? In solchen Situationen muss ein eindeutiger Bezug zwischen Lenkradstellung und Lenkverhalten bestehen, der beim RS nicht mehr gegeben ist.

Das wird umso wichtiger, weil das Auto satte acht Zentimeter breiter geworden ist. Wahrscheinlich überschreitet es dabei irgendeine Grenze, die mit meinen Hausstrecken zu tun hat. Ich will doch einen Hot Hatch GERADE für die kleinen Sträßchen, nicht nur für Rennstrecken und Rennbundesstraßen, auf denen man das Auto sowieso nur ausfahren kann, wenn man seinen Führerschein loswerden will, ohne aufs Amt zu müssen.

Die schon im Vorgänger nicht berühmte Übersichtlichkeit tut ihr Übriges. Mein Fotofahrer vermackte sogar die Felge beim Wenden. Es verringert meinen Ärger auf ihn nur unwesentlich, aber ich kann zumindest verstehen, wie so etwas trotz meiner vorigen Warnungen (“Achtung, Wagen ist viel breiter, als er ausschaut!“) passieren konnte.

Spielereien

Um auch Positives zu nennen: Der Hochformat-Touchscreen der Mittelkonsole funktioniert sehr gut als Konzept. Die Sitze sind immer noch super. Man kann jetzt per Bluetooth Fahrzeugdaten als Overlay in seine Videos schicken – schöne Spielerei, die es vorher nur per Zubehör gab. Der Motor läuft, anders als etwa im Hyundai i30 N (Test), auch kalt manierlich. Das sind aber alles nur B-Punkte. In den A-Punkten hat sich der RS im Vergleich zu vorher in vielen Bereichen verschlimmbessert. Wer einen etwas komplizierteren Hot Hatch mit Frontantrieb und Doppelkupplungsgetriebe sucht, ist mit VWs Golf GTI besser bedient. Wer das weniger Komplexe sucht, findet es eher gebraucht in den Vorgängern des RS. Und wer ein reines Rennstreckenauto sucht: Was macht er bei den Hot Hatches? (cgl)