Geistige Geisterfahrer

Autofahrer sind eigentlich in der Minderheit. Sie wollen es nur nicht wissen.

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Es gibt da diesen alten Witz von dem Autofahrer, der auf der Autobahn in die falsche Richtung fährt. Als er im Verkehrsfunk die Warnung vor einem Geisterfahrer hört, ruft der Mann ganz aufgeregt: "Ein Geisterfahrer? Hier sind doch Dutzende."

Ein echter Schenkelklopfer, ich weiß. Geschenkt. Ich musste aber an diesen Witz denken, als ich heute in unserer Lokalzeitung über eine Diskussion zum Thema Verkehrswende in Hannover las. Denn in diesem Bericht wurde ganz beiläufig erwähnt, dass der Anteil des Autoverkehrs in dieser Stadt nur bei 36 Prozent liegt.

Da war ich aber mal platt. 36 Prozent. Das ist ein bisschen mehr als ein Drittel.

Der Kollege Gregor Honsel, der bereits im September einen ausführlichen, klugen Artikel über den Gordischen Knoten Verkehrspolitik geschrieben hat, winkte nur müde ab. Hannover läge damit vielleicht etwas unter dem Durchschnitt – aber im Grunde genommen seien diese Zahlen doch längst bekannt.

Das mag ja alles sein, aber wenn ich mich draußen auf der Straße umsehe, wenn ich öffentliche Debatten verfolge und lese, was in den Foren geschrieben wird, stellt sich die Realität ganz anders dar. Dann ist das hier alles hundertprozentiges Autofahrerland.

Ein Land, in dem zwar alle betonen wie wichtig es sei, sich an Recht und Ordnung zu halten, Ordnungsstrafen gegen Geschwindigkeitsüberschreitungen aber als staatliche Abzocke gelten, und Grenzwerte zur Reinhaltung der Luft zum Schutz des Autoverkehrs mal eben durch eine juristisch fadenscheinige Gesetzesnovelle faktisch außer Kraft gesetzt werden. Ein Land, in dem die Spielregeln für den Verkehr noch immer von Autofahrern für Autofahrer gemacht werden.

Wie passt das zusammen mit der Tatsache, dass die Autofahrer – zumindest in den Städten – eigentlich in der Minderheit sind? Vielleicht hat die breite Öffentlichkeit einfach noch nicht registriert, dass sich hier etwas verschoben hat, dass das Auto nicht mehr das Maß aller Dinge ist. Scheuer und seine Bleifuß-Fraktion sind die eigentlichen geistigen Geisterfahrer, die gegen den Zeitgeist unterwegs sind – auch wenn sie es selbst noch nicht gemerkt haben.

(wst)