Bosch investiert in Halbleiter-Standort Dresden und hofft auf starkes Wachstum

Singapur, Grenoble oder Dresden: Der Halbleitermarkt wächst in Deutschland langsamer als im Rest der Welt – Bosch entschied sich trotzdem für Dresden.

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Bosch

(Bild: dpa, Marijan Murat/Archiv)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter Ilg

Bosch baut eine neue Halbleiterfabrik in Dresden aus technologischen Gründen und mit der Hoffnung auf steigende Nachfrage spezieller Chips aus der Automobilindustrie. Manchmal hat man keine Wahl. "Die Halbleiterindustrie trifft sich traditionell in Clustern", sagt Jens Fabrowsky, Bereichsvorstand Automotive Electronics bei Bosch. In Singapur, Grenoble oder Dresden. "In Deutschland gab es für uns keine Standortalternative, weltweit schon." Bosch hat sich für Deutschland entschieden und baut in Dresden eine neue Halbleiterfabrik. Die Investitionssumme liegt bei rund einer Milliarde Euro. Ist das Geld gut angelegt? Denn grob betrachtet spielt Deutschland bei der Herstellung von Halbleitern nicht wirklich eine wichtige Rolle. Schaut man aber genau hin, dann sieht man, dass deutsche Hersteller kräftig mitmischen im Geschäft.

Bosch zum Beispiel. Dessen Stärken sind Spezial Chips für Autos und das Internet der Dinge. Für beide Einsatzzwecke zieht die Nachfrage stark an. "Der deutsche Halbleitermarkt wächst in diesem Jahr um acht Prozent auf 14 Milliarden Euro", so Stephan zur Verth, Vorsitzender der Fachgruppe Halbleiter-Bauelemente im ZVEI-Fachverband Electronic-Components and Systems. Im Vergleich zum weltweiten Halbleitermarkt ist das Wachstum in Deutschland nur halb so hoch und ein Klacks im Vergleich zum Volumen: das liegt bei 418 Milliarden Euro. Allerdings: für 2019 prognostiziert zur Verth eine Steigerung des weltweiten Umsatzes mit Halbleitern um 2,6 Prozent, das für Deutschland um etwa 4 Prozent. "Während der Halbleiteranteil in Smartphone, Tablet und TV in den kommenden Jahren zunehmend stagniert, nimmt der Bedarf für Autos durch drei Megatrends zu", so zur Verth. Das sind Infotainment und Konnektivität, autonomes Fahren sowie die Elektrifizierung des Antriebstrangs. Seit zwei Jahren wächst der automobile Halbleitermarkt schneller als die Fahrzeugproduktion. Das heißt: der Chipeinsatz im Auto nimmt zu, 2017 um 12 Prozent gegenüber produzierten Fahrzeugen. Dennoch ist die Automobilindustrie mit einem Anteil von etwa 10 Prozent das kleinste Abnehmersegment der Halbleiterindustrie.

Der weltweit größte Automobilzulieferer Bosch baut nun seine zweite Halbleiterfabrik in Deutschland, um den steigenden Bedarf an Spezialchips für Anwendungen im Auto selbst zu decken. Im Werk in Reutlingen werden seit 1995 MEMS-Sensoren produziert, insgesamt schon zehn Milliarden Stück. Mikromechanische Systeme (MEMS) kommen in Handys, Spielekonsolen und Autos zum Einsatz. Diese stecknadelkopfgroßen Winzlinge informieren Steuergeräte im Auto, ob es gerade bremst oder beschleunigt. In Reutlingen fertigt Bosch auch ASICs, das sind anwendungsspezifische Schaltungen. Sie sind auf einen Fall zugeschnitten, etwa auf die Auslösung eines Airbags. Weil diese Chips nur einem Zweck dienen, erfüllen sie ihre Aufgabe sehr schnell, können klein sein, damit günstig in der Herstellung und sie verbrauchen wenig Energie.

Halbleiterchips werden aus einer Silizium-Scheibe, sogenannten Wafern gefertigt. Je größer sein Durchmesser, desto mehr Chips können pro Fertigungsdurchgang hergestellt werden. Bislang produziert Bosch in Reutlingen Chips aus Wafern mit einem Durchmesser von 150 und 200 Millimetern, in Dresden werden sie 300 Millimeter groß sein. Diese Größe ist heute Standard in der Fertigung von Halbleitern. Chips werden in mehreren hunderten Einzelschritten vollautomatisiert im Reinraum hergestellt. Wenn pro Wafer und Produktionsschritt mehr Chips zeitgleich hergestellt werden können, sinken die Fertigungskosten, gleichzeitig steigt der Gewinn. Auf die Waferscheiben werden kleinste integrierte Schaltkreise mit Strukturen in Bruchteilen eines Mikrometers aufgetragen und die Chips herausgelöst. Fertig sind die sogenannten Halbleiter. In Dresden fertigt Bosch zunächst ASICs. Die Pilotproduktion soll voraussichtlich Ende 2021 beginnen.

Die Halbleiterfabrik in Dresden ist eine Industrie-4.0-Fabrik. "Der Transport der Produkte in der Herstellung ist voll automatisiert, der Materialfluss und die Qualitätssicherung werden mittels intelligenter Software gesteuert", sagt Fabrowsky. Ein Stück davon ist auch schon künstlich intelligent, nämlich das für die optimale Reihenfolge der Fertigung. Die Chips nutz Bosch für die eigenen Produkte.

Jens Fabrowsky, Bereichsvorstand Automotive Electronics bei Bosch.

(Bild: Bosch)

Etwa 700 Beschäftigte werden die Chipproduktion planen, steuern und überwachen. "Ein großer Anteil davon werden neue Mitarbeiter sein, die wir mit erfahrenen Leute aus unserer Chipfabrik aus Reutlingen ergänzen", so Fabrowsky. Verfahrenstechniker, Physiker, Elektrotechniker sind die Qualifikationen, die vor allem gebraucht werden. Das sind auch die Leute, die viele andere Unternehmen suchen. Fabrowsky ist dennoch optimistisch, dass Bosch die neuen Mitarbeiter findet. "Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber, bilden selbst aus, haben gute Kontakte zu Hochschulen und in einem Cluster gibt es Wanderungen." Davon will Bosch profitieren.

Das Mikroelektronik-Cluster Silicon Saxony besteht aus 2.300 Firmen der Mikroelektronik und Software, die insgesamt 65.000 Mitarbeiter haben. Mikroelektronik hat in Dresden Tradition. In Sachsens Hauptstadt hat die DDR ab den 1970er Jahren Chips entwickelt und vor 30 Jahren den 1-Megabit-Chip präsentiert. Das war im September 1988 und eine große Leistung der Wissenschaftler. Im Jahr darauf ging die DDR zu Ende, der Superchip nie in Serie, aber Dresden blieb das Zentrum der deutschen Mikrotechnologie.

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(bme)