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Autos auf CES: Autonom ist noch Zukunftsmusik

Der Hype ums autonome Auto hält an, doch macht sich zunehmend Realismus breit. Kleine Fortschritte gab es auf der CES dennoch zu sehen.

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Autos auf CES: Autonom ist noch Zukunftsmusik
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Autos. Überall Autos. In der North Hall des Las Vegas Convention Center hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Autoindustrie breitgemacht. Mercedes nutzt die CES für die Weltpremiere des CLA. Doch weil die CES eine Elektronikmesse ist, geht es in Vegas vor allem um die Technik, die unter der Karosserie steckt. Deshalb ist die Messe inzwischen eine feste Adresse nicht nur für die Autohersteller, sondern auch deren Zulieferer wie Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen.

Die ganze Autoindustrie steht unter hohem Innovationsdruck. Sie darf Zukunftsthemen wie Elektromobilität und autonomes Fahren nicht potenten Tech-Konzernen wie Intel oder Google überlassen, die in den Markt drängen. Die Branche investiert kräftig in neue Technik. Das zeigt sich auch auf der CES: Hier sind es vor allem die Zulieferer, die handfeste Entwicklungen bei den heißen Automobilthemen vorweisen können und den gehypten Concept-Cars die Schau stehlen.

Dabei muss sich die "alte" Industrie neu aufstellen. Continental strukturiert um und schafft für "Autonomous Driving Technologies" und "Vehicle Networking Technologies" eigene Bereiche sowie eine neue zentrale Forschungs- und Entwicklungseinheit. ZF Friedrichshafen gibt insbesondere der Entwicklung mehr Autonomie. "Duales Betriebssystem", heißt das im Unternehmen. "Den Teams, die neue Produkte entwickeln, wollen wir so viel Freiraum geben wie möglich", sagt ZF-CEO Wolf-Henning Scheider.

ZF setzt stark auf Elektromobilität, sieht darin aber nicht die schnelle Lösung für alle Probleme. Der klassische Antrieb macht immer noch den Großteil des Geschäfts aus. Das Unternehmen investiert weiter "viel Geld" in den Hybridantrieb. Der ist für Scheider die Zukunftslösung für die klassische Ein-Auto-Familie. "Aber die E-Reichweite muss noch besser werden." Wenn der Hybrid 100 Kilometer elektrisch schafft, deckt er damit die meisten Pendlerstrecken ab.

Google-Tochter Waymo hat ihr autonomes Auto schon auf der Straße.

(Bild: heise online)

Während die Branche bei E-Fahrzeugen in Serie geht, ist das autonome Auto noch Zukunftsmusik. Trotz der vielversprechenden Feldversuche, die zum Beispiel Google mit Waymo unternimmt, zeigt die CES auch die Grenzen der Technik: Die vom Ridesharing-Anbieter Lyft eingesetzten, von Zulieferer Aptiv auf autonom getrimmten BMWs dürfen von der vorbestimmten Route nicht abweichen und stehen deshalb oft im Stau. Voll-autonom mit Fahrgästen die Ausweichroute nehmen – so weit sind wir noch nicht.

"Wir müssen diese Technik noch zur Reife bringen", sagt Scheider. "Vor allem, wenn die Bedingungen schwierig sind." Denn noch sind die autonomen Autos eher Schönwettersportler. In der Branche wird deshalb weiter an besseren Sensoren und der Vernetzung der Fahrzeuge gearbeitet. "Konnektivität ist eines unserer Kernthemen", sagt Continental-Vorstand Helmut Matschi in Las Vegas. Continental und die anderen Zulieferer zeigen auf der CES unter anderem ihre Weiterentwicklungen von V2X-Plattformen für vernetze Fahrzeuge.

Einen Fortschritt im Sensorbereich verspricht Solid-State-Lidar, der ohne bewegliche Teile auskommt und deshalb kleiner und vor allem billiger zu produzieren ist – immer ein wichtiger Faktor in der Branche. Damit lassen sich die Sensoren etwa unter der Karosserie oder dem Scheinwerfer einbauen. Sie werden die Knubbel auf dem Dach ablösen, deretwegen die Waymo-Autos aussehen wie dicke Daleks.

Bei dem Demo-Car setzt ZF die Lidar-Sensoren der Beteiligung Ibeo ein.

(Bild: heise online)

Zum voll-autonomen Individualverkehr ist der Weg noch weit. In absehbarer Zeit realistisch ist der Einsatz der Technik für klar definierte Einsatzgebiete: Zum Beispiel zum Transport von Waren auf abgeschlossenen Firmengeländen. Oder als kleine Bus-Shuttles, die auf mehr oder weniger festen Routen Menschen von A nach B bringen. Konzepte für solche "People Mover" zeigen einige Aussteller auf der CES, darunter Bosch und ZF.

ZF arbeitet bei dem "e.GO Mover" mit dem Aachener Startup e.GO Mobile zusammen. Die wesentliche Technik sitzt bei diesem Shuttle für bis zu 15 Personen im Chassis, was mehr Freiheiten beim Design des Aufbaus bietet. Der kleine Bus soll noch 2019 in Serie gehen. Einen ersten Kunden kann ZF auf der CES auch präsentieren: Der französische Mobilitätsanbieter Transdev will 2020 eine ungenannte Anzahl der E-Shuttles auf die Straße bringen.

Shuttles & Autos auf der CES (7 Bilder)

Der e.GO mover ist ein Gemeinschaftsprojekt von ZF und dem Startup e.Go Mobile.
(Bild: heise online)

Der e.GO hat noch Platz für einen Fahrer, ließe sich in Zukunft aber auch autonom betreiben. Die Technik dafür demonstriert ZF mit einem umgebauten Mercedes-Van auf einem Parkplatz in Las Vegas. Ohne Lenkrad und Pedale lenkt das Fahrzeug selbsttätig über den aufgezeichneten Parcours. Der Fahrer greift nur noch zur Not ein. Man merkt aber, dass hier noch entwickelt wird, es ruckelt manchmal ein bisschen.

"Wir sind davon überzeugt, dass der öffentliche Nahverkehr das erste Segment sein wird, für das echte autonome Dienste für die Allgemeinheit entwickelt werden", sagt Transdev-CEO Yann Leriche. Die Mobilitätsanbieter sind nur eine Branche, die den deutschen Zulieferern neue Kunden beschert. Angesichts der zu erwartenden Beruhigung auf dem klassischen Automarkt sind neue Geschäftsfelder gerne gesehen. Dabei müssen die Zulieferer darauf achten, ihre alte Stammkundschaft nicht zu verstimmen.

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Hinweis: ZF hat die Reisekosten des Autors zur CES übernommen. (vbr)