Wie ein tragbarer digitaler Assistent fürs Auto aussehen könnte

Nur langsam kommen Alexa, Siri und Co. ins Fahrzeug. Eine Master-Studentin an der Uni Siegen hat nun eine Designfiktion entwickelt.

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Wie ein tragbarer digitaler Assistent fürs Auto aussehen könnte

(Bild: Ronda Ringfort)

Lesezeit: 6 Min.

Ronda Ringfort, 27, ist Masterstudentin an der Universität Siegen im Studiengang Human Computer Interaction (HCI). Mit ihrem Projekt Kiro versucht sie, die Zukunft der KI im Fahrzeug zu ergründen.

Technology Review: Frau Ringfort, Sie haben im Rahmen ihrer Masterarbeit die Idee eines neuartigen digitalen Assistenten geschaffen. Wer oder was ist Kiro?

Kiro ist ein Begleiter für Autofahrten, der diese in ein positives soziales Erlebnis verwandeln soll. Egal ob es sich um eine lange Fahrt allein, die tägliche Pendelfahrt zur Arbeit oder um einen Freizeitausflug handelt, wenn sonst niemand Zeit hat; Kiro begleitet den Fahrer (wenn dieser es möchte) auf seiner Fahrt und kann je nach Nutzer als ein intelligenter, kommunikativer, beratender, hilfsbereiter, lustiger, inspirierender, motivierender oder einfühlsamer Beifahrer und soziales Gegenüber fungieren.

Wie realistisch ist die Umsetzung von Kiro?

Im Rahmen der Designfiktion ging es primär um die Erschaffung einer "fiktiven Welt", um die Auswirkungen neuer Technologien durch die Provokation neuer Gedanken zu erforschen. Durch die Zukunftsthematik basiert Kiro auf der Annahme, dass sich die technologische Entwicklung der KI in den nächsten Jahren von der derzeit primär schwachen KI hin zu einer starken KI entwickelt und eine natürliche Interaktion zwischen dem Menschen und einer KI möglich ist.

Einige Funktionalitäten (vor allem die natürliche Interaktion zwischen KI und dem Menschen, die Reflektions-Fähigkeiten der KI) sind daher mit dem derzeitigen Stand der Technik nur rudimentär realisierbar, jedoch bei der derzeitigen Entwicklung und dem Fortschritt im Bereich KI durchaus in den nächsten Jahren denkbar.

Wie weit sind Sie im Rahmen der Designfiktion gekommen?

Die Designfiktion wurde als ein alternatives Konzept zu den Zukunftskonzepten und Visionen autonomer intelligenter Systeme im Auto der Top 10 der innovationsstärksten Premium- und Volumenautomarken (2018) entwickelt, um eine alternative "Zukunft" zu explorieren.

Hierzu habe ich im Rahmen der Masterarbeit das Konzept unter Hinzunahme diverser Literatur entwickelt, versucht dieses möglichst realistisch und in einem vertrauten Kontext mit Hilfe der Produktwebsite zu veranschaulichen und mit dieser einen kritischen Diskurs zu starten. Hierzu habe ich bereits einen Workshop mit potenziellen Nutzern durchgeführt, die anfänglich in dem Glauben gelassen wurden, dass es das Produkt tatsächlich geben würde.

Im Workshop wurde ausgiebig mit den Teilnehmern diskutiert, welche Emotionen und Gedanken sie in Bezug auf Kiro haben, welche Rolle Kiro in ihrem Alltag spielen könnte und wie sie dies finden würden. Parallel läuft derzeit noch eine Online-Diskussion, wo es um ähnliche Thematiken geht. Mit Experten der Autoindustrie war ich auch im Gespräch.

Was erhoffen Sie sich vom Feedback der Nutzer?

Bei der Designfiktion geht es darum, mehr über eine mögliche Zukunft zu erfahren und zu sehen, wie Menschen auf diese reagieren werden. Von dem Feedback erhoffe ich mir durch die Erzeugung eines veränderten kritischen Diskurses und der Provokation neuer Gedanken einen Einblick in die Reaktionen, Gedanken und Gefühle der Menschen auf so ein Objekt zu erhalten, um darauf aufbauend Einsichten für zukünftige technologische Entwicklungen ableiten zu können.

Hierbei erhoffe ich mir Antworten auf die Fragen: Ist Kiro etwas, was sich die Menschen vorstellen könnten? Wäre Kiro etwas, was von den Menschen angenommen würde? Was für Bedenken, Gedanken, Meinungen beschäftigt die Menschen bei so einem Objekt? Welche Hürden, Herausforderungen und Potenziale ergeben sich bei einer möglich "realen" Umsetzung eines solchen Objektes?

Google Assistant, Siri und Alexa sind bereits im Auto angekommen. Was könnte Kiro besser als sie?

Bei Google Assistent, Siri und Alexa handelt es sich um klassische Assistenzsysteme, bei denen es primär darum geht, "Befehle" vom Menschen entgegen zu nehmen und funktionale Aufgaben effizient auszuführen: Navigation, Musikwiedergabe, Wissensabfrage etc. Im Gegensatz zu diesen Systemen, welche primär als Assistent des Menschen fungieren und pragmatische Aufgaben übernehmen, handelt es sich bei Kiro mehr um einen Begleiter, der autonom auf "Augenhöhe" mit dem Menschen interagiert und eine soziale Funktion erfüllt.

Kiro geht somit über die pragmatischen Funktionen hinaus und fokussiert sich auf soziale Bedürfnisse und die Erschaffung eines positiven Erlebnisses im Auto (Wohlbefinden). Kiro wurde hierzu auf Basis der individuellen und sozialen Fahrpraktiken von Menschen konzipiert und kombiniert die positiven Effekte eines Beifahrers, die Vorteile einer KI und psychologische Modelle der Beziehungsgestaltung, um ein positives soziales Erlebnis im Auto zu schaffen. Durch die Integration psychologischer Modelle bringt Kiro auch etwas therapeutisches mit sich.

Was ist der Vorteil eines portablen Assistenten gegenüber einem festverbauten bzw. dem auf dem Handy?

Die Vorteile liegen darin, dass das Auto als persönlicher Rückzugsort bewahrt wird. Bei der Analyse der individuellen Praktiken von Menschen im Auto zeigte sich vermehrt die Nutzung des Autos als persönlicher Rückzugsort, an dem man von der Außenwelt abgeschirmt ist und seine Ruhe hat.

Um das Auto als persönlichen Rückzugsort und zugleich das Bedürfnis der Menschen nach persönlichen Grenzen zu wahren, wurde Kiro als portabler Begleiter entwickelt. Durch die "bewusste" Interaktion der Aktivierung (auf das Dashboard setzen, von diesem entfernen) sollte zugleich der Angst eines ungewollten Abhörens/Überwachsens entgegengewirkt werden.

Wie sehen Sie die User-Experience-Szene in Deutschland? Können wir mittlerweile mit den USA mithalten?

Schwer zu sagen, aber ich denke durchaus schon. Durch viele internationale Kooperationen und Firmen mit Standorten sowohl in Deutschland als auch in den USA denke ich, dass die Grenzen (vor allem im Bereich UX/UI) schon stark verschwimmen. Im Bezug auf den technologischen Fortschritt und die Offenheit gegenüber bestimmten Dingen würde ich sagen, dass andere Länder wie die USA oder auch Japan durchaus schon weiter sind. (bsc)