Abgas-Skandal: VW vor österreichischen Gerichten

Mindestens 22 Massenklagen gegen VW sind in Österreich anhängig. Doch der Konzern will nicht in Österreich prozessieren müssen.

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Roter VW Gold TDi neben Stromtankpunkt

Parken an der Stromtankstelle verbessert Diesel-Abgaswerte leider nicht.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

In Österreich beginnen schrittweise die Verhandlungen in mehreren Gerichtsverfahren gegen Volkswagen wegen des Abgas-Skandals. Nach einer ersten Verhandlung in Wien am 17. Jänner findet am heutigen Montag die erste Verhandlung am Landesgericht Feldkirch in Vorarlberg statt. VW hat 2015 eingestanden, Dieselmotoren der Marken Audi, Seat, Škoda und VW mit Hilfe unzulässiger Motorsteuerungssoftware manipuliert zu haben, um bei Abgastests den Stickstoffausstoß zu senken.

Vergangenes Jahr hat der österreichische Verein für Konsumenteninformation (VKI) 16 Klagen gegen VW eingebracht, um für rund 10.000 Verbraucher Ansprüche in Höhe von insgesamt rund 60 Millionen Euro geltend zu machen. Gefordert werden Schadenersatz in Höhe von 20 Prozent des Kaufpreises, weil das Dieselfahrzeug nicht zulassungsfähig war. Außerdem soll VW für alle Folgeschäden aus dem erforderlich geworden Softwareupdate haften. VW hält die Forderungen für unbegründet und möchte keinen Schadenersatz leisten. Bei der aktuellen Klage in Feldkirch vertritt der VKI etwa 300 Verbraucher.

Zunächst dürfte VW die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte Frage stellen. Der Wolfsburger Konzern möchte im Abgas-Skandal lieber vor deutschen Gericht prozessieren, wie sich bei der ersten österreichischen Tagsatzung am 17. Jänner vor dem Handelsgericht Wien gezeigt hat. Dort ging es um die "Pilotklage" des Vereins Cobin Claims, der in insgesamt sechs Klagen mehr als 6.500 Parteien mit 6.761 Dieselfahrzeugen des VW-Konzerns vertritt.

"Wenn der Verkauf des Fahrzeugs in Österreich abgewickelt wurde, ist der Schaden in Österreich eingetreten und nicht in Wolfsburg. Die EuGVVO stellt klar fest, dass am Ort des schädigenden Ereignisses geklagt werden kann", erläuterte Jaindl im Gespräch mit heise online. Die EuGVVO ist die mit EG-Verordnung 44/2001 erlassene Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Verordnung. Jaindl glaubt nicht, dass sich VW der österreichischen Gerichtsbarkeit entziehen können wird.

Für 26. Februar ist die erste Tagsatzung für eine von Cobin Claims beim Landesgericht Wiener Neustadt eingebrachte Klage angesetzt. Im März folgen Prozessauftakte vor den Landesgerichten Innsbruck, Leoben, Eisenstadt und wiederum Feldkirch. Außerdem plant der Verein eine Massenklage gegen Mercedes-Benz, ebenfalls wegen Diesel-Manipulationen.

Der VW-Konzern stellt seinen betroffenen Kunden ein Softwareupdate zur Verfügung, das die Dieselfahrzeuge rechtskonform machen soll. Jaindl hält es aber für noch nicht erwiesen, dass dieses Update wirklich alle Zulassungshürden beseitigt. Außerdem habe das Update unerwünschte Nebenwirkungen.

Von diesen Problemen nach Installation des VW-Softwareupdates berichteten 412 Autofahrer bei einer Umfrage auf dieselklage.at, einer Webseite des Vereins Cobin Claims.

(Bild: Cobin Claims)

Hunderte Betroffene haben Cobin Claims von mannigfaltigen Problemen berichtet: Die Motoren hätten weniger Zugkraft, würden stottern oder absterben. Eine Frau habe berichtet, jeweils nur 40 Kilometer Autobahn fahren zu können, bevor sie den Motor wegen Überhitzung abstellen und abkühlen lassen müsse. "Mehrere Autos sind auf der Autobahn stehengeblieben, eines sogar in einem Tunnel", so Jaindl, "Es ist ein Wunder, dass es noch keinen Unfall gegeben hat."

Auch der VKI hat Verschlechterungen nach dem Softwareupdate dokumentiert. Ob diese Probleme von den österreichischen Gerichten als Folge des Softwareupdates anerkannt werden, bleibt abzuwarten. Klar ist, dass Gebrauchtwagenpreise für Diesel deutlich gefallen sind und mehrere Städte Fahrverbote mit Massenüberwachung verhängen. Dieselfahrer sind also jedenfalls geschädigt, und alle anderen auch.

[Update 28.01.2019 – 13:55 Uhr] Das Softwareupdate sorgt dafür, dass mehr Abgas in den Motor rückgeführt wird, um die Verbrennungstemperatur zu senken. Durch die niedrigere Temperatur entsteht im Teillastbereich weniger Stickoxid. Zur Regeneration eines Speicherkatalysators kann zusätzlich mehr Kraftstoff eingespritzt werden, was den Verbrauch steigert. Durch die größere zurückgeführte Abgasmenge entstehen im Ansaugtrakt verstärkt Ablagerungen, solche sind es auch, die dem Abgasrückführventil – teils bis zur Funktionsuntüchtigkeit – zusetzen können.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
)

(ds)