Lustwandel

Fahrspaß statt Autoverkehr

Die Klimadiskussion ist dringend notwendig und der individuelle Verkehr gehört zu den größten Hebeln, an denen man ansetzen kann. Wenn man will. Dass unser jugendfrisch-vorgestriger Verkehrsminister ein Problem mit diesem „Wollen“ hat, ist offensichtlich. Handeln wir doch einfach selbst!

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Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Die Klimadiskussion ist dringend notwendig im Sinne von „Not“ und „(ab)wenden“. Der Verkehr gehört zu den größten Hebeln, an denen man ansetzen kann, um den CO2-Ausstoß schnell und wirksam zu verringern. Man muss eigentlich nur wollen und jeder kann ganz persönlich jederzeit etwas tun.

Dass unsere entscheidenden Politiker, allen voran der jugendfrisch-vorgestrige Verkehrsminister, ein Problem mit diesem „Wollen“ haben, ist offensichtlich. Wir sollten uns von deren Sorge um Arbeitsplä- äh - Wählerstimmen nicht allzusehr beeinflussen lassen. Selbst große Teile der Industrie haben unter dem Eindruck des Faktischen längst umgesteuert. Zeit für eine ganz individuelle Verkehrswende bei Autos mit Wärmekraftantrieb? Vielleicht schon zu spät, aber momentan noch mit Lust:

Einige Leserkommentare auf meinen letzten Appell legen nahe, dass ich mich nicht verständlich genug gemacht habe. Dafür möchte ich um Entschuldigung bitten und mit meiner erneuten Einlassung aufs Thema „Freude am Fahren“ mehr Klarheit bringen.

Damit ich nur dann autozufahren brauche, wenn ich Lust dazu habe, bin ich in eine Wohnung gezogen. Im dritten Stock. Zwar ganz hart an der Stadtgrenze, die E-Mobilität liegt allerdings gleich gegenüber: in 20 Minuten bin ich per U-Bahn in der Mitte der 1,5-Millionen-Stadt. In 12 Minuten mit dem Fahrrad im Büro, in 40 zu Fuß. Frau und Kinder brauchen mit den Öffis zwischen 30 und 40 Minuten. Wir benötigen kein Auto – auch kein elektrisches. Ich weiß, dass das für sehr viele Menschen ein unbezahlbarer Luxus ist. Allerdings verzichte ich dafür auf ein Haus mit komfortabler Wohnfläche und eigenem Garten.

Es ist zugleich eine bewusste Entscheidung zugunsten des Fahrspaßes, aber auch im Sinne des Klimaschutzes: Die ganze Familie fährt keine 4000 Kilometer Auto im Jahr, das meiste davon zur Betreuung des Opas. Die meisten Autofahrer erreichen diese Kilometerleistung statistisch kurz nach Quartalsende.

Und was bedeutet „Fahrspaß“?

Es geht um die Auswirkungen der beim Fahren entstehenden Kräfte. Autobahnfahren beispielsweise ist diesbezüglich vollkommen vergeudete Zeit. Zum Erleben der Kraftwirkungen gehört das Nachspüren von Eigenheiten bestimmter Arten von Radaufhängung oder Fahrzeugkonzepte, quasi alles zwischen den weit auseinander liegenden Polen „Pritschenwagen mit Starrachse“ und „Citroën mit Hydropneumatik“.

Gut motorisierte, moderne Autos wie etwa ein M BMW hingegen fahren einfach nur unglaublich perfekt schnell und sehr lange vollkommen ungerührt um Kurven. Wenn ich dieses „wie auf Schienen“-Gefühl mal brauche, wähle ich lieber das Original und löse eine Fahrkarte. Ich beobachte das natürlich mit großem professionellem Interesse und muss sagen, dass das immer beeindruckender und technisch brillanter wird – aber genau dadurch zum Gähnen langweilig, wie der Mercedes-AMG C43 4matic (Test).

Bereiche, in denen es interessant werden könnte, gibt es zwar auch bei solchen Autos. Um sie zu erreichen, müsste man allerdings jenseits von kriminell schnell fahren und lebensmüde sein, um sie ausloten zu wollen. Was nicht ganz so schlimm wäre, gäbe es nicht noch die anderen Verkehrsteilnehmer. Ein sauschneller Präzisions-BMW aus der M GmbH ist demnach nur etwas für die Rennpiste und dort will ich nicht hin. Das wäre nämlich „Fahren um des Fahrens willen“, wie ich es einfach nicht kann. Ich brauche schon auch noch ein sinnvolles Ziel. Eine Reise etwa.

Echte Freude am Fahren geht viel einfacher und dazu noch billig: Man nehme Autos aus Zeiten vor den Fahrdynamik-Regelsystemen. Deren Fahrwerke wurden von den Entwicklern so abgestimmt, dass sie den Grenzbereich schon ankündigen, wenn man noch nicht mal mit anderen, zügig fahrenden Verkehrsteilnehmern in modernen Autos mithält. Diese Auslegung macht bei vielen Autos den physikalisch interessanten Rand so breit, dass man zwar ständig an Gas, Bremse und Lenkung gefordert ist – jedoch nie in der Gefahr, irgendwann ohne Korrekturmöglichkeit mit 180 tödlich abzufliegen.