V2X: Telekom und BMW gegen EU-Vorschrift für vernetztes Fahren

Wachsender Widerstand gegen die EU-Pläne für ITS-G5 statt C-V2X als Standard der Fahrzeugkommunikation: BMW und Telekom fordern Veto der Bundesregierung.

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Straßenverkehr in Japan

(Bild: Buntoon Rodseng / shutterstock.com)

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Im Streit um Funkstandards für die Kommunikation zwischen vernetzten Fahrzeugen fordern Deutsche Telekom und BMW die Bundesregierung auf, sich im Rat der EU-Mitglieder für die Mobilfunktechnik C-V2X stark zu machen. Die EU-Kommission will mit einem sogenannten delegierten Rechtsakt das nicht kompatible, auf dem WLAN-Standard 802.11p aufbauende ITS-G5 als europäischen Standard festschreiben. In der vergangenen Woche hatte sich bereits der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments gegen ITS-G5 ausgesprochen, am Mittwoch wird das Thema in Straßburg debattiert.

Für die direkte Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur (Vehicle to Everything, V2X) steht weltweit das Funkband bei 5,9 GHz zur Verfügung, auf dem die ältere WLAN-Spezifikation 802.11p und die 2017 verabschiedete LTE-Sezifikation "Cellular Vehicle to Vehicle" (C-V2V, heute auch C-V2X) funken. Beide arbeiten ohne SIM-Karte; 11p überbrückt einige Hundert Meter, V2V etwas mehr. V2V lässt sich im selben Funkmodul zusammen mit herkömmlichem, also SIM-Karten-gestützten LTE einbauen – so könnten auch Handys von Fußgängern und Radfahrern mit Autos kommunizieren und die Sicherheitslage verbessern.

ITS-G5 "ist aus unserer Sicht nur eine Übergangstechnologie", heißt es in dem von Telekom-Chef Tim Höttges und BMW-Vorstand Harald Krüger unterzeichneten Schreiben an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), das heise online vorliegt. "Deutschland sollte im Rat darauf dringen, dass der delegierte Rechtsakt in der jetzigen Form von der EU-Kommission zurückgezogen und neu vorgelegt wird", fordern die Industriebosse. "Der delegierte Rechtsakt führt Europa in eine technische und politische Sackgasse."

In dem Rechtsakt der Kommission heißt es, für die Kommunikation auf kurzen Entfernungen sei das Format ITS-G5 ausgereift, getestet und bereits im Einsatz. Das auf Mobilfunk-Technologie für alle Einsatzfälle basierende Format V2X sowie 5G könnten später integriert werden. Damit legt sich die EU unnötigerweise auf einen Standard fest und macht es für künftige Alternativen schwerer, monieren die Kritiker.

Laut den EU-Plänen müsste "jeder neu eingeführte Standard mit bestehenden Technologien kompatibel sein", heißt es in dem Brief an Scheuer weiter. Das erschwere in Zukunft die Einführung neuer und leistungsfähiger Standards, argumentieren Höttges und Krüger. Beide machen sich für C-V2X stark: "C-V2X kann die bestehende LTE-Basisinfrastruktur nutzen, die Wi-Fi Technologie dagegen nicht. Sie benötigt eine parallele Infrastruktur, die erhebliche Investitionskosten verursacht."

Höttges und Krüger verweisen darüber hinaus auf die ambitionierten Pläne von Bundesregierung und EU im Hinblick auf die nächste Mobilfunkgeneration 5G. "Dass nun gerade in einem der wichtigsten 5G-Anwendungsbereiche ein Rechtsakt erlassen wird, der den 5G-Ausbau bremst und Europa im Vergleich zu China und den USA zurückwirft, ist unverständlich", schreiben die Vorstandschefs an den Minister, den sie bitten, "sich für echte Technologieneutralität" einzusetzen. "Sollte Deutschland kein Veto gegen den Rechtsakt im Rat einlegen, wäre das de facto eine Entscheidung gegen die 5G-Technologie."

BMW und Telekom sind Teil einer breiten Koalition aus Telekommunikations- und Autobranche, die auf den C-V2X setzen: Neben Autobauern wie Daimler, Ford und PSA unterstützen auch Netzbetreiber und Infrastrukturanbieter wie Ericsson, Huawei, Samsung, Intel und Qualcomm den Standard. Die USA und China setzen voll auf C-V2X. In Europa stehen von den großen Autoherstellern Volkswagen und Renault hinter dem von der EU präferierten Standard ITS-G5.

Auch in anderen EU-Ländern regt sich Widerstand gegen die Pläne der Kommission. Finnland, Schweden und Spanien drängen die Kommission in der Standardfrage zu Technologieneutralität. Am Mittwoch debattiert zudem das Parlament über das Thema und könnte auf Empfehlung des Verkehrsausschusses die Kommission auffordern, ihr Vorhaben zu ändern. Nur wenn Parlament und die Mitgliedsländer im Rat keine Einwände erheben, kann der Rechtsakt in Kraft treten. (vbr)