Standardvertrieb

Vorstellung: BMW 1er F40

Es ist soweit. BMW stellt seinen ersten 1er mit Frontantrieb vor und preist ihn trotzdem wie bisher als den fahrdynamischsten Kompakten an. Hier sind erste Bilder und Daten zum premiumpositionierten Neuzugang in der Golfklasse

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BMW 1er F40 31 Bilder

(Bild: BMW)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Der langangekündigte Paradigmenwechsel in der BMW-Kompaktklasse ist jetzt vollzogen. Der neue 1er präsentiert sich mit Frontantrieb und quereingebauten Drei- und Vierzylindermotoren. Er steht auf gleicher Plattform wie die Mini-Modelle. Damit findet in zweifacher Hinsicht ein Standardvertrieb statt. BMW vertreibt sein früheres Alleinstellungsmerkmal aus der Kompaktklasse und versucht bei den Kunden, die sich an den BMW-Aufpreis gewöhnt haben, billigere Technik zum gleichen Preis zu offerieren. Das sieht man an dem im Vergleich zum Vorgänger deutlich größerem Frontüberhang. Was einen an den Hasen mit den überdimensionalen Vorderläufen denken lässt, mit dem sich die BMW-Werbung noch vor einem Jahrzehnt über die Konkurrenz mit Frontantrieb lustig machte. Unter dem Hasen mit unvorteilhafter Silhouette stand der lapidare Satz: „Das ist der Grund, warum BMW keine Fahrzeuge mit Frontantrieb baut.“

Frontüberhang

Und tatsächlich wirken die Proportionen des neuen Modells auf den ersten Blick etwas weniger ausgewogen als beim Vorgänger, der nahezu gleich lang war (plus 5 mm beim Vorgänger), aber einen 20 mm längeren Radstand hatte. Das ist jedoch genauso Geschmackssache wie die obligatorische Riesenniere, auf die die Pressemappe auch hier wieder unter der Rubrik „Highlights“ stolz hinweist. Der stilistische Mehrwert dieser Blähnieren wurde von uns ja bereits zur Genüge negiert. Konnte man bei den teuren Modellen noch den chinesischen Geschmack für BMW ins Feld führen, der solch bizarre BMW-Karikaturen verlangen würde, geht das jetzt beim 1er, dessen Vorgänger zu 80 Prozent in Europa verkauft wurde, nicht mehr. Aber auch die bisherigen 1er-Modelle wurden wohl nicht in erster Linie ihres Designs wegen gekauft.

Konventioneller Kompakter

Sie waren vielmehr eine bewusste Entscheidung für BMW-typische Fahrdynamik mit Hinterradantrieb. Die Käufer nahmen dafür bewusst teure Preise bei vergleichsweise eingeschränkten Platzverhältnissen und praktischen Nachteilen in Kauf. BMW verspricht nun mit seiner Frontantriebsarchitektur die Quadratur des Kreises. Sie soll den ab jetzt ausschließlich fünftürigen 1er mindestens so sportlich machen wie früher, mehr Platz ermöglichen und Geld in der Produktion sparen. Die beiden letzten Punkte erfüllt sie in jedem Fall. Mit 30 mm mehr Kniefreiheit und mindestens 19 mm mehr Kopffreiheit bietet der neue 1er deutlich mehr Raumkomfort für die Passagiere auf dem Rücksitz.

Mehr Platz

Die 19 mm Kopffreiheit wurden in einem Fahrzeug gemessen, in dem das als neue Sonderausstattung erhältliche, elektrisch nach außen öffnende Panorama-Schiebedach verbaut war. Hinzu kommt ein um 20 Liter vergrößerter Kofferraum in Normalstellung, der mit jetzt 380 Litern zum Golf VII aufschließt. Im maximalen Laderaum bleibt der Golf nach wie vor um 70 Liter vorne.

Ein praktischer Vorteil des neuen 1er ist , dass die Mindestbreite des Laderaums um 67 mm verbreitert werden konnte, so dass das ein oder andere sperrige Ladegut jetzt doch noch reinpasst, bei dem der Standardantriebseinser streikte. Auch Fahrer und Beifahrer haben im neuen 1er deutlich mehr Bewegungsfreiheit. Der Fronttriebler ist 34 mm breiter als sein Vorgänger. In Zusammenspiel mit dem Wegfall des Kardantunnels konnten vorne aber sogar 43 mm mehr Ellenbogenfreiheit realisiert werden.

Optionen wie bei den Großen

Das Cockpit des neuen 1ers wartet mit keinen großen Überraschungen auf, wenn man das Cockpit des aktuellen 3ers kennt. Beeindruckend ist allerdings, mit welcher Konsequenz der Kompakte sämtliche Premium-Assistenz- und Luxusfeatures erhält, die aus den größeren BMW-Reihen bekannt sind. Dazu gehört neben der neuesten Infotainmentgeneration mit OS 7.0, ein optionales Live Cockpit Professional mit zwei 10,25-Zoll-Screens anstatt herkömmlicher Rundinstrumente. Schon in der Grundausstattung ist ein zentraler 8,8-Zoll-Touchscreen enthalten.

Neu ist im 1er ein 9,2-Zoll-Head-up-Display, das anders als bei vielen Konkurrenten in der Kompaktklasse auf ein peinliches Plexiglas verzichten kann und direkt in die Scheibe projiziert wird. Insgesamt macht der neue 1er im Vergleich zum Standardtriebler hier den größten Sprung. Fragwürdig ist aber die Entscheidung, auch beim neuen 1er wie im gesamten Produktportfolio ausschließlich Apple CarPlay verfügbar zu machen und damit die riesige Zahl von Android-Nutzern vor den Kopf zu stoßen. Zumal für die Sonderausstattung Digital Key, also das Nutzen des Smartphones als Schlüsselersatz, wiederum ausschließlich Samsung Galaxy-Topmodelle notwendig sind. Das wirkt nicht durchdacht.

Sprung bei den Assistenzsystemen

Serienmäßig ist beim neuen 1er eine Auffahr- und Personenwarnung mit City-Bremsfunktion, die auch auf Radfahrer hinweist sowie eine Spurverlassenswarnung. Letztere ist in einem Geschwindigkeitsbereich zwischen 70 und 210 km/h aktiv. Sie greift aktiv in die Lenkung ein, wenn der Fahrer ohne zu blinken, die Spur verlässt. Gegen Aufpreis sind Driving Assistant, Rückfahrassistent (der autonom die letzten 50 m zurückfährt) und vieles mehr erhältlich. BMW verspricht, dem Kunden trotz der Frontantriebsarchitektur des neuen 1er, eine BMW-typische Dynamik bieten zu können, obwohl der neue Antrieb eine klare Zwei-Klassen-Gesellschaft aus dem BMW-Portfolio macht.

Auf der einen Seite sind die „richtigen“ BMWs mit längs eingebauten Motoren, die in den teuren Modellen weiterhin Reihensechszylinder bleiben. Sie haben Standardantrieb bzw. aufwendig variablen heckbetonten Allradantrieb mit elektronisch gesteuertem Verteilergetriebe und ZF-Achtgangautomatik. Und auf der anderen Seite sind die Mini-Derivate zu denen jetzt auch der 1er gehört: Maximal vier Zylinder quer, Frontantrieb oder Hang-on-Allrad, Aisin-Automatik wie im BMW X2 20d xDrive (Test). Da kann schon die Frage aufkommen, ob BMW den Kunden jetzt nicht für ein billigeres Produkt mindestens genauso zur Kasse bittet.