Volkszählung 2021: Bundestag beschließt milliardenschweren Zensus

Die Abgeordneten haben ein Zensusgesetz verabschiedet, mit dem erstmals auch Mietzahlungen erhoben werden sollen. Eine Verfassungsbeschwerde steht an.

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Volkszählung 2021: Bundestag beschließt milliardenschweren Zensus
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Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und der AfD hat der Bundestag am Donnerstag kurz vor Mitternacht den Regierungsentwurf für ein Gesetz mit kleinen Änderungen beschlossen, auf dessen Basis in zwei Jahren ein neuer Zensus durchgeführt werden soll. Die FDP, die Linke und die Grünen enthielten sich. Die EU-Mitgliedsstaaten sind rechtlich verpflichtet, 2021 erneut eine entsprechende Volkszählung durchzuführen. Wie beim jüngsten Zensus 2011 ist laut der europäischen Vorgaben so hauptsächlich eine "registergestützte Erhebung" geplant.

Zu einem großen Teil sollen bereits vorhandene Verwaltungsinformationen wie insbesondere Melderegisterdaten genutzt werden. Zusätzlich ist eine "Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis" vorgesehen, um die Informationen abzugleichen und zusätzliche zu erheben. Die erhobenen Daten stellen laut der Bundesregierung "eine unabdingbare Planungsgrundlage für die Erfüllung staatlicher Aufgaben" in Bund, Ländern und Gemeinden dar.

Regelmäßige Zensusrunden ermöglichten eine "umfassende, kontinuierliche sowie laufend aktualisierte Information über die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zusammenhänge", heißt es in dem Entwurf. Dies betreffe vor allem die Bereiche Bevölkerung und Demografie, Wirtschaft, Soziales, Wohnungswesen, Raumordnung, Verkehr, Umwelt und Arbeitsmarkt.

Die Parlamentarier haben über einen Änderungsantrag des Innenausschusses die Regierungsinitiative noch erweitert. So sollen für Wohnungen etwa auch die Art der Nutzung, mögliche Leerstandsgründe, die Fläche mit Zahl der Räume sowie die Nettokaltmiete erhoben werden. Diese Informationen seien nötig, "um die Instrumente des Mietrechts, der sozialen Wohnraumförderung oder des Wohngelds zielgerichtet einsetzen zu können", begründen die Abgeordneten diesen Schritt.

Zusätzlich zur Art der Heizung ist ferner die der eingesetzten Energieträger gefragt. Zudem soll die Einwohnerzahl von Gemeinden genauer erfasst und aufgeschlüsselt werden.

Bei den Kostenschätzungen der Exekutive ist es geblieben. Der "einmalige Aufwand" bei Bund und Ländern liegt demnach bei "rund 994 Millionen Euro", wobei den Löwenanteil von etwa 722 Millionen die Länder tragen müssen. Den Bürgern entsteht laut den Schätzungen ein Zeitaufwand von rund 8,2 Millionen Stunden sowie circa 3,1 Millionen Euro Sachaufwand. Auf die Wirtschaft sollen Bürokratiekosten in Höhe von etwa 10 Millionen Euro zukommen.

Die mit dem Zensus 2021 einhergehenden Belastungen für Bürger sowie Unternehmen sollen generell möglichst geringgehalten werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen aus Sicht der Volksvertreter nur in Betracht, "wenn ein dringender Datenbedarf erkennbar ist und der Aufwand verhältnismäßig bleibe.

Dieser Ansatz ist für das Parlament auch "Ausdruck der grundrechtsschonenden Konzeption" der Volkszählung. Die Bürger könnten im Rahmen ihrer Betroffenenrechte auch gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) insbesondere Auskunft über alle sie betreffenden, im Zensus erhobenen und verarbeiteten personenbezogenen Informationen verlangen. Das Konzept, um die Betroffenenrechte zu wahren, werde "in den Datenschutzfolgenabschätzungen und entsprechenden Vereinbarungen der statistischen Ämter des Bundes und der Länder näher dargelegt".

Zumindest für den Vorlauf für die statistische Erhebung gab es zunächst aber offenbar keine vorherige Untersuchung möglicher Risiken für die Privatsphäre der Betroffenen. So schrieb das Statistische Bundesamt im Rahmen einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz auf das Auskunftsersuchen "Wurde eine Datenschutz-Folgeabschätzung angefertigt?" vom 22. Februar, dass eine solche in Abstimmung mit der Bundesdatenschutzbehörde durch die behördliche Datenschutzbeauftragte im Statistikamt erarbeitet "wird". Der Testlauf erfolgte aber bereits in den Wochen nach dem 13. Januar.

Aktivisten der Bürgervereinigung Freiheitsfoo wittern nach dieser Ansage "Pfusch" bei den Zuständigen: "Erst holt man sich die Daten aller Bürger und Einwohner des Landes und hinterher schaut man dann, welche Risiken bei Datenübertragung, -speicherung und -verarbeitung bestanden". Für "Abhilfe" dürfte es dann zumindest in wesentlichen Fällen aber zu spät sein.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatte im Januar zusammen mit dem Arbeitskreis Zensus einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen den Test gestellt. Sie wollten verhindern, dass schon für den Probebetrieb die Meldedaten aller Bundesbürger mit Klarnamen nebst Angaben zur Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften oder einem möglichen Migrationshintergrund zentral zusammengeführt werden. Die Karlsruher Richter lehnten das Begehr zunächst ab. Nun ist eine Verfassungsbeschwerde in Arbeit.

Die FDP-Fraktion forderte in einem Antrag, die Methodik so weiterzuentwickeln, dass die Zählung im Jahr 2031 ausschließlich registerbasiert durchgeführt werden könne. Die Grünen drängten darauf, Bedenken des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber zu berücksichtigen und das Erhebungsmerkmal der Religionszugehörigkeit zu streichen. Beide Initiativen fanden aber keine Mehrheit. (olb)