Laden für alle

Volkswagen ID Charging Day

Volkswagen kümmert sich um die Ladeinfrastruktur: Wenn der ID.3 in einem Jahr auf die Straße kommt, soll alles perfekt funktionieren. Die Basis des batterieelektrischen Fahrens bleibt die Heimladung. Doch unterwegs gibt es deutliche Defizite

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Elektroautos, alternative Antriebe 5 Bilder
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Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Der Countdown läuft: Im Frühsommer 2020 beginnt die Auslieferung des Volkswagen ID.3, dem ersten batterieelektrischen Auto auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB). Zum Basispreis von 29.900 Euro erhält der Käufer eine 48 kWh (netto verfügbar: 45) große Batterie; darüber rangieren die Versionen mit 62 (58) sowie 82 (77) kWh. Volkswagen hat im Rahmen eines „Charging Days“ nun bekannt gegeben, wie sich die Wolfsburger die Ladeinfrastruktur vorstellen.

Fahrzeugseitig, so viel ist bekannt, soll die Ladeleistung mit Wechselstrom (abgekürzt AC für alternating current) bei 11 kW und mit Gleichstrom (DC für direct current) bei 100 bis 125 kW liegen. Unter dem Dach der neu gegründeten Marke Elli – das steht für Electric Life – werden unter anderem Wallboxes für die private heimische Garage sowie für Firmenkunden angeboten. Basis ist eine simple 11 kW-Box, die besonders preisgünstig sein soll. Was das genau bedeutet, sagt Volkswagen nicht. Es wird über einen dreistelligen Preis inklusive Montage spekuliert. Darüber rangiert eine ebenfalls dreiphasige elf kW-Wallbox mit 4G-Anschluss. Dieser wird unter anderem interessant, wenn der ID.3 netzdienlich und bidirektional laden kann, was nicht vom Marktstart an, aber im Produktionsverlauf möglich sein soll.

Das erste Produkt von Elli ist bereits erhältlich, nämlich „Naturstrom“. Volkswagen strebt an, sowohl die Fahr- als auch die Produktionsenergie für den ID.3 selbst mit null Gramm CO2 bereitzustellen. Zu Beginn wird das den Zukauf von Zertifikaten notwendig machen, weil die Produktion in der Zulieferkette nicht durchgehend mit Ökostrom erfolgt. In Deutschland liegt der Anteil erneuerbarer Energien am elektrischen Strom im Jahr 2019 bisher bei rund 47 Prozent.

100.000 Ladepunkte – gemäß Koalitionsvertrag

Zurzeit geht Volkswagen von rund 20.000 öffentlichen Ladepunkten in der Bundesrepublik aus. Hier sind sowohl AC- als auch DC-Standorte einberechnet. Schon im nächsten Jahr, so der Plan, sollen es „gemäß Koalitionsvertrag“ über 100.000 sein. Sich auf politische Vereinbarungen zu verlassen, ist unrealistisch. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Volkswagen als größter Autokonzern der Welt einen höheren Marktdruck ausüben kann als Hersteller, die in der EU weniger präsent sind.

Zugang zu den Säulen erhält der Fahrer über die Marke WeCharge. Unterschiede zu Wettbewerb diesseits von Tesla gibt es nicht: Anfangs wird über App oder Chip freigeschaltet; mittelfristig soll der Vorgang automatisiert per Plug & Charge ablaufen, also so simpel wie an Teslas Superchargern. Die dafür notwendige Norm ISO 15118 gibt es bereits, an der Ausführung hapert es jedoch. Volkswagen wird zuerst 36.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte bei den eigenen Händlern in der EU schaffen. Dazu will das Unternehmen an den deutschen Standorten von Wolfsburg über Zwickau bis Emden bis 2025 4.000 Ladepunkte schaffen.

Grenzszenario Urlaubsanfang

Ein Mangel ist aus heutiger Perspektive bei den DC-Standorten offensichtlich: Zwar werden in ganz Europa täglich neue schnelle Säulen errichtet. Typische Urlaubsszenarien werden das System jedoch überfordern. Beispiel Hamburg: Hier gibt es abweichend von anderen Bundesländern die sogenannten Skiferien. Wenn an einem Samstagmorgen Anfang März mehrere hundert Familien Richtung Alpen aufbrechen, führt das unweigerlich die Grenzen des Konzepts vor Augen. Zwar sind fast alle Tank & Rast-Standorte entlang der Autobahn A7 mit DC-Chargern ausgestattet, aber das reicht bei Weitem nicht. Es bleibt abzuwarten, ob der Ausbau zu Ladeparks nach dem Vorbild von Tesla Abhilfe schafft oder ob Engpässe in Form von Warteschlangen bleiben.