Schade drum

Kürzlich wurde ich gefragt, was für mich die größten technischen Enttäuschungen der letzten Jahre waren. Hier meine Top 3.

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Platz 3: 3D-Scanner

Schon vor ein paar Jahren habe ich mein Leid darüber geklagt, wie schwer es ist, ein Bauteil vernünftig eingescannt zu bekommen. Dabei geht es nicht nur um eine Konstruktionsvorlage für den 3D-Druck, sondern auch darum, Dinge von allen Seiten fotorealistisch anschauen zu können – gewissermaßen als Gegenstück zu Kugelpanoramen. Den bisher überzeugendsten Ansatz verfolgte für mich 3Digify, ein Spin-off der TU Kaiserslautern: Zwei handelsübliche Kameras, ein Beamer, ein Drehteller und die entsprechende Software, fertig war ein Scanner mit beeindruckenden Ergebnissen. Leider ist das Start-up untergegangen.

Platz 2: Das 1-Liter-Auto

Es war eine Staffelübergabe der besonderen Art: Der scheidende VW-Chef Ferdinand Piëch fuhr im Jahr 2002 mit seinem Nachfolger Bernd Pischetsrieder von Wolfsburg zur Hauptversammlung in Hamburg – in einem kleinen, zigarrenförmigen Zweisitzer. Weniger als einen Liter Diesel verbrauchte das Gefährt angeblich, vor allem durch Leichtbau und Aerodynamik.

Das Nachfolgemodell XL-1 war ein Plug-in-Hybrid, der nicht mehr ganz so sparsam, aber auch nicht mehr ganz so spartanisch war. 2011 kündigte Volkswagen eine Serienproduktion an, doch es blieb bei rund 200 gebauten Exemplaren. Ähnlich erging es dem flachen Viersitzer Loremo, der 2007 mit einem Verbrauch von 1,5 Litern Diesel angekündigt wurde.

Das Bedauerliche am Verschwinden dieser und ähnlicher Autos ist nicht allein die Tatsache, dass sich die Autoindustrie danach niemals wieder an ähnlich ambitionierte Projekte wagte. Sondern auch, dass die Chance vertan wurde, effiziente Autos cool zu machen. Wir erinnern uns: Der Aufstieg des Elektroautos geschah nicht etwa durch politische Vorgaben oder ökologische Gewissensbisse der Kunden, sondern dadurch, dass Tesla es mit dem Roadster schaffte, ein wirklich begehrenswertes Auto zu bauen. Hätte dies Anfang der 2000er auch mit schlanken Zweisitzern funktioniert – wer weiß, vielleicht wäre uns diese ganze SUV-Pest erspart geblieben.

Platz 1: Micropayment

Blockchain hin, Blockchain her – auch im Jahr 2019 gibt es kein einheitliches, unkompliziertes Zahlsystem für kleine Cent-Beiträge. Einmal anmelden, und dann bei allen Anbietern unkompliziert einzelne Artikel, Songs oder Filme kaufen: So etwas wünsche ich mir ungefähr seit den Tagen von Netscape 2.0. Ich bin überzeugt, dass die meisten Nutzer kein Problem damit hätten, einzelne Artikel zu bezahlen, wenn es denn bequem möglich wäre. Doch Bitcoin, PayPal oder Kreditkarte sind zu umständlich beziehungsweise zu teuer für Kleinstbeträge. Die Folge sind unter anderem Paywalls auf Abo-Basis, auch bei uns. Das schafft eine Schwelle, die viele Nutzer abschrecken dürfte.

Technisch gab es schon in den Neunzigern eine ganze Reihe brauchbarer Lösungen: CyberCash etwa, das von einem großen Bankenkonsortium gestützt wurde. Oder eCash, ein technisch sehr ambitioniertes Verfahren der Deutschen Bank zum anonymen Bezahlen im Netz. Beide wurden 2001 eingestellt. Später kamen dann Dienste wie Click & Buy der Telekom hinzu (beerdigt 2016). All diese Zahlverfahren sind am Henne-Ei-Problem gescheitert. Dass es Facebook jetzt mit seinem Kryptogeld "Libra" erneut versucht, macht mir wenig Hoffnung – es wird nach Art des Hauses wohl irgendwas datenschutzrechtlich Indiskutables werden.

(grh)