Erhalt von Waren: Pflästerchen statt dicke Bretter

Händler sollen per Gesetz verpflichtet werden, ihre Waren "gebrauchstauglich" zu halten. Ein auf mehreren Ebenen seltsames Ansinnen.

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Bundesumweltministerin Svenja Schulze will gegen das Wegwerfen von Waren vorgehen. Klingt erst mal ganz vernünftig. Gerade Onlinehändlern wird vorgeworfen, regelmäßig große Mengen an intakten Retouren zu entsorgen, weil ihnen die Aufbereitung zu aufwendig ist. Die genaue Dimension dieses Problems ist umstritten, weil es mangels Transparenz kaum belastbare Zahlen gibt. Unstrittig dürfte jedoch sein: Es kann nicht schaden, etwas dagegen zu unternehmen.

Die Frage ist nur, wie. Schulze schwebt kein Wegwerf-Verbot vor, sondern eine "Obhutspflicht" für Unternehmen, Waren "gebrauchstauglich" zu halten. Ein auf mehreren Ebenen seltsames Ansinnen. Erstens: Wer soll das wie kontrollieren? Und welchen Wert hat eine Vorschrift, die sich nicht kontrollieren lässt – außer vielleicht den, politische Aktivität zu simulieren?

Zweitens: Güter gebrauchstauglich zu halten dürfte ohnehin der zentrale Job eines jeden Händlers sein. Niemand beschädigt aus Jux und Dollerei seine eigenen Waren. Und wenn es dennoch vorkommt, hat es tiefer liegende Ursachen. Eine "Obhutspflicht" ist also genauso sinnvoll wie ein Verbot für Heimwerker, sich mit dem Hammer auf den Daumen zu hauen.

Drittens umfasst das "gebrauchstauglich halten" für Schulze auch Spenden. Super Idee eigentlich. Leider müssen Unternehmen, wie Handelsverband HDE einwirft, dafür Umsatzsteuer zahlen. Das ließe sich im Prinzip einfach ändern – wenn die Politik ihre Hausaufgaben machen und ihr Steuersystem gebrauchstauglich halten würde.

Aber wir wollen nicht zu früh sarkastisch werden, schließlich handelt es sich ja nur um einen ersten Vorschlag. Doch unabhängig davon, ob, wann und in welcher Form daraus tatsächlich ein Gesetz wird – der Fall illustriert einen halbherzigen Politikstil: Wo etwas drückt, wird ein ordnungspolitisches Pflästerchen draufgeklebt, das zwar wenig hilft, aber auch weniger Ärger macht als die Arbeit an den eigentlichen Ursachen.

Worin genau besteht denn das Problem? Das Wegwerfen von Neuwaren verschlingt Ressourcen und erzeugt Müll. Warum wird es trotzdem gemacht? Weil Ressourcen und Entsorgung offenbar zu billig sind. Jedenfalls billiger als die Arbeit, die für eine Aufbereitung nötig wäre. Und warum ist der Ressourcenverbrauch so billig? Weil er vergleichsweise niedrig besteuert wird. Und warum ist die Arbeit (hierzulande) so teuer? Weil sie vergleichsweise hoch besteuert wird.

Die Lösung liegt also auf der Hand: Ressourcen höher besteuern, die Arbeit im Gegenzug niedriger, wie es der Umweltforscher Friedrich Schmidt-Bleek schon vor längerer Zeit vorgeschlagen hat. Aber für so einen Umbau des Steuersystems müsste die Regierung zur Abwechslung mal ein richtig dickes Brett bohren statt irgendwo herumzureglementieren.

(grh)