Renate Künast darf bei Facebook unter Umständen beschimpft werden

In einem Fall von Beschimpfungen gegen Renate Künast hat ein Gericht Facebook-Kommentare als zulässige "inhaltliche Kritik" gewertet.

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Justizia ist blind

(Bild: Gemeinfrei (via pixabay))

Lesezeit: 3 Min.

"Wurde die 'Dame' vielleicht als Kind ein wenig viel gef...und hat dabei etwas von ihren [sic!] Verstand eingebüßt..." Solche Kommentare sind bei Facebook unter einem Beitrag aufgetaucht, in dem es um Renate Künast geht. Das Berliner Landgericht hat nun entschieden, dass die Kommentare unter "zulässige Meinungsäußerung" fallen. Allerdings hängt die Entscheidung eng mit dem Inhalt des Beitrags zusammen.

Der Beitrag wurde von einem rechten Netzaktivisten verfasst, er beruft sich darin auf einen Artikel der "Welt" von 2015. Darin wird eine Situation von 1986 aus dem Berliner Abgeordnetenhaus geschildert. Während einer Rede zum Thema häuslicher Gewalt, soll ein CDU-Abgeordneter die Zwischenfrage gestellt haben, wie die Rednerin, eine Fraktionskollegin von Künast, zum Thema Entkriminalisierung von Geschlechtsverkehr mit Kindern steht. Künast habe daraufhin dazwischengerufen: "Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist." Der Netzaktivist hatte diese Aussage in seinem Beitrag erweitert: "...ist Sex mit Kindern doch ganz okay."

Diese Erweiterung des Satzes ist laut Urteilsbegründung, das heise online vorliegt, ebenso zulässig wie die beleidigenden Kommentare anderer Nutzer. Künast hatte 22 Äußerungen an das Gericht gereicht, weil sie die Herausgabe der Identitäten dahinter von Facebook haben wollte. Doch: "Da alle Kommentare einen Sachbezug haben, stellen sie keine Diffamierungen der Person der Antragstellerin und damit keine Beleidigung nach § 185 StGB dar." In dem Paragraphen heißt es, Beleidigung werde einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft.

Das Gericht hält den Satz: "Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird" für "geschmacklose Kritik", die aber "mit dem Stilmittel Polemik sachliche Kritik übt". Die Äußernden würden nicht die Person diffamieren, sondern an der von ihr getätigten Äußerung Kritik üben. Auch die Bezeichnungen "Pädophilen-Trulla" und "Schlampe" sind keine Beleidigung, sondern "sachbezogene Kritik". Der Kommentar "Drecks Fotze" ist "haarscharf" an der Grenze des Hinnehmbaren, weil das Thema des Zwischenrufs ebenfalls im sexuellen Bereich liege, und da Geschlechtsverkehr mit Kindern erhebliches Empörungspotenzial habe, müsse sich Künast überzogene Kritik aber gefallen lassen.

Laut Berliner Morgenpost will der Anwalt von Renate Künast, Severin Riemenschneider, in die nächsthöhere Instanz gehen. In Deutschland gibt es auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) für Beschwerden über Hasskriminalität in sozialen Medien. Frankreich nimmt sich das NetzDG sogar zum Vorbild. Demnach müssen strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einem Hinweis gelöscht werden. Einige Anwälte haben sich auf Hasskommentare im Netz spezialisiert. Die Grenze zwischen normalen und Hass-Kommentaren ist aber "eine sehr heikle Angelegenheit", erklärte auch der Facebook-Sprecher Nick Clegg.

Hinzu kommt die anhaltende Klarnamen-Debatte: Facebook etwa will Nutzern mehr Raum geben, hält aber an seiner Klarnamenpflicht fest. Bürgerrechtler und Datenschützer kritisieren das scharf. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) spricht sich ebenfalls gegen eine Klarnamen-Pflicht im Internet aus. Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hingegen fordert die Klarnamen-Pflicht, um gegen Hetze im Netz anzukommen.

[Update: 19.09.2019 16.27 Uhr] Überschrift und Vorspann wurden von der Redaktion angepasst. (emw)