Spurensuche bringt neue Erkenntnisse zu Nazi-Atomforschung

Zwei Physiker der University of Maryland haben Belege dafür entdeckt, dass die Nazis einem funktionierenden Atomreaktor näher waren als bisher gedacht.

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Spurensuche bringt neue Erkenntnisse zu Nazi-Atomforschung

Dieser Uranwürfel lan­dete 2013 an der University of Maryland. Er war Bestandteil der Atomwaffenforschung im Dritten Reich.

(Bild: John T. Consoli/ University of Maryland)

Lesezeit: 2 Min.

Bei ihrer Suche nach dem Ursprung eines Uranwürfels haben Timothy Koeth und Miriam Hiebert von der University of Maryland neue Hinweise darauf entdeckt, dass die deutschen Atomforscher im Dritten Reich einem Kernreaktor – und damit den Voraussetzungen für eine Atombombe – möglicherweise näher waren als bisher gedacht. Über die Suche berichten die beiden Forscher als Gastautoren in der neuen November-Ausgabe von Technology Review.

TR 11/2019

Ausgangspunkt der Untersuchung ist ein Natur-Uranwürfel mit etwa fünf Zentimeter Seitenlänge und einem Gewicht von etwa fünf Pfund, der ihnen 2013 zugesandt wurde – zusammen mit einer kurzen Notiz:­ "Aus dem Reaktor, den Hitler zu bauen versuchte. Ein Geschenk von Ninninger."

​Nachforschungen in Archiven und eine hochauflösende Gamma­strahlenspektroskopie des Würfels ergaben, dass er höchstwahrscheinlich zum Experiment B-VIII gehörte, einem experimentellen Reaktor, den das Team um Werner Heisenberg in Haigerloch gebaut hatte. Es gelang den Deutschen damals zwar nicht, eine sich selbst erhaltende Kernspaltung zu erreichen. Simulationen ergaben jedoch, dass der Reaktor mit mehr Uran kritisch geworden wäre. Viele Wissenschaftler haben daher lange Zeit gedacht, dass die deutschen Wissenschaftler unmöglich einen funktionierenden Kernreaktor hätten bauen können, weil sie nicht genug Uran hatten.

Im US-Nationalarchiv stießen Koeth und Hiebert jedoch auf mittlerweile frei gegebene Unterlagen, die belegen, dass neben den in Haigerloch von US-Soldaten beschlagnahmten Würfeln der Heisenberg-Gruppe noch etwa 400 weitere Uran-Würfel in Deutschland existierten. Diese Würfel waren Teil eines anderen, später aufgegebenen Reaktorversuchs unter der Leitung von Kurt Diebner von der Gottow-Experimentiergruppe. Das kombinierte Inventar beider Versuche wäre mehr als ausreichend gewesen, um im B-VIII-Reaktor Kritikalität zu erreichen. "Zum Glück für uns", schreiben sie, "ließen der wettbewerbsorientierte Ansatz und die begrenzten Ressourcen des deutschen Kernforschungsprogramms Heisenberg und seine Kollegen scheitern."

Die vollständige Geschichte der Uran-Würfel lesen Sie in der November-Ausgabe von Technology Review (ab sofort im Handel). (jle)