Volkswagen hat nach autonomen Testfahrten Serienreife im Blick

Die Erkenntnisse aus Feldversuchen mit E-Golfs auf Level 4 machen Volkswagen offenbar Mut.

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Volkswagen hat nach autonomen Testfahrten Serienreife im Blick

(Bild: Ibeo Automotive Systems GmbH)

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VW will nach Tests mit autonom fahrenden Autos in Hamburg mittelfristig zur Serienreife übergehen. "Wir arbeiten an einem marktreifen selbstfahrenden System, das wir bereits ab Mitte der kommenden Dekade kommerzialisieren wollen", sagte der VW-Vizechef für Autonomes Fahren, Alexander Hitzinger, am Mittwoch in Hamburg.

Die speziell ausgerüsteten und in Hamburg eingesetzten Elektro-Golfs seien in der Lage, das Verkehrsgeschehen für rund zehn Sekunden vorauszuberechnen. Dies geschehe mit Hilfe der Daten, die seit April auf der von der Hansestadt eingerichteten Strecke für automatisiertes und vernetztes Fahren (TAVF) gewonnen wurden.

Das System könne mögliche Szenarien vorwegnehmen und die Reaktionszeit deutlich verringern. "So können autonom fahrende Fahrzeuge auf etwaige Gefahren schon reagieren, bevor sie überhaupt entstehen", meint Volkswagen. Wichtig sei dabei vor allem, extrem große Datensätze schnell und gleichzeitig zu verarbeiten. Dafür wurde mit unterschiedlichen Ansätzen für künstliche Intelligenz wie Deep Learning, neuronalen Netzwerken und Mustererkennungsverfahren gearbeitet. Das Verkehrsgeschehen wird anhand der Daten mehrere Male pro Sekunde neu evaluiert.

Die dafür nötige Software wurde vom Team der Group Innovation des Volkswagen-Konzerns selbst geschrieben. Es soll von Anfang 2020 an die Basis der jüngst gegründeten Volkswagen Autonomy GmbH (VWAT) bildet. Der Konzern hatte kürzlich erklärt, bis zur Mitte der 2020er Jahre eine kommerzielle Nutzung selbstfahrender Autos anzustreben. VWAT soll hierzu auch mit dem US-Hersteller Ford zusammenarbeiten.

Die fünf Stufen autonomen Fahrens.

(Bild: Volkswagen)

"Die Entwicklung des autonomen Fahrens auf Level 4 ist ein äußerst komplexes Unterfangen, bei dem man sehr stark von der Verfügbarkeit von Daten abhängig ist", erläutert Hitzinger. "Die Teststrecke in Hamburg hat uns erlaubt, reale Szenarien zu erproben und das System daraufhin zu optimieren. Die VWAT will diese Daten zur Validierung und Verifizierung des Gesamtsystems verwenden. Als Nächstes wollen wir die Anzahl an Szenarien drastisch erhöhen. Dafür müssen wir vor allem Simulationen nutzen."

Dennoch sei vollautonomes Fahren im großen Stil – mit mehr als 100.000 Fahrzeugen – "eine Herkulesaufgabe", ergänzte Hitzinger. Denn es gebe eine unendliche Zahl von Verkehrsszenarien, die von Algorithmen abgedeckt werden müssten. Zudem müssten die Systeme bis zur Serienreife verkehrs-, aber auch datensicher entwickelt sein, um mögliche Cyber-Angriffe abwehren zu können.

Die VWAT solle ein eigenes selbstfahrendes System zur Marktreife bringen, für das laut Hitzinger China und die USA Vorreitermärkte werden dürften. In Europa sei es schwieriger, bis dahin die rechtlichen Rahmenbedingungen festzulegen. Als erste Anwendungen sieht VW hierfür Taxis und Lieferfahrzeuge.

Den Unternehmensangaben zufolge werden in Hamburg fünf umgerüstete Elektro-Golfs auf einer knapp drei Kilometer lange Teilstrecke eingesetzt. Sensoren auf dem Dach, in den Kotflügeln sowie im Front- und Heckbereich der Fahrzeuge überprüfen die Umgebung. Die Autos kommunizieren mit spezieller Technik ("Road Side Units") an 14 Ampeln. Das autonome Fahren ist eines von mittlerweile 70 Projekten , mit denen sich Hamburg als Veranstalter auf den ITS-Weltkongress für intelligente Verkehrssysteme in knapp zwei Jahren vorbereitet. (mit Material der dpa) / (anw)