Kein digitaler Dollar von der Fed

Staatliches Digitalgeld kann durchaus seinen Sinn haben, sagt der Chef der US-Notenbank Federal Reserve. Bedarf dafür sieht er aber eher in anderen Ländern als in den USA.

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(Bild: dpa, bitcoin.org)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt

Digitale Dollar sind eine Lösung auf der Suche nach einem Problem – das gilt zumindest für die USA und laut Jerome Powell, dem Vorsitzenden der US-Zentralbank Federal Reserve. In manchen Ländern der Welt könnten digitale Zentralbankwährungen vielleicht Vorteile bringen, aber ob sie "im US-Kontext relevant" sind, ist eine andere Frage. Dies erklärte Powell vergangene Woche im einem Brief an zwei Kongressabgeordnete.

"Insgesamt beobachten wir, dass die Merkmale, die eine digitale Zentralbankwährung für manche Länder überzeugender machen, sich von denen der USA unterscheiden", schrieb er. Damit antwortete der Zentralbank-Chef auf ein Schreiben, das ihm die beiden Abgeordneten im Oktober geschickt hatten. Darin stellten sie eine Reihe von Fragen, unter anderem nach Plänen für die Ausgabe einer solchen Währung.

Was sind diese Merkmale? Manche Länder, so Powell, könnten durchaus über die Einführung digitaler Zentralbank-Währungen nachdenken, weil sie eine "rasche Abwendung der Verbraucher von Bargeld" erlebt haben. Zentralbankern macht das Sorgen, weil die staatliche Bereitstellung von Scheinen und Münzen ihnen eine direkte Präsenz auf dem Markt für Verbraucherzahlungen sichert. Diesen Bereich komplett aufzugeben, so fürchten sie, könnte neue Risiken für Privatpersonen und die Volkswirtschaft entstehen lassen.

In den USA aber, berichtet Powell, ist die Nachfrage nach physischem Geld "weiter robust". Im Jahr 2018 nutzten Verbraucher Bargeld für 26 Prozent ihrer Zahlungsvorgänge, vier Prozentpunkte weniger als im Vorjahr (Debit- und Kreditkarten machten 28 Prozent bzw. 23 Prozent aus).

Ein weiterer Grund dafür, dass manche Länder über digitale Zentralbank-Währungen nachdenken, liegt laut Powell darin, dass es ihnen "an schnellen und zuverlässigen digitalen Zahlungsservices mangelt". Die US-Zahlungslandschaft dagegen sei "hochgradig innovativ und wettbewerbsintensiv" und stelle Verbrauchern viele Optionen zur Verfügung.

Diesem Argument von Powell muss man nicht folgen – tatsächlich könnte man sagen, dass nicht einmal seine eigene Bank das tut. Anders als viele andere Länder weltweit haben die USA kein breit zugängliches System für Zahlungen von Bank zu Bank. Mit dem aktuellen System der Fed kann die Abwicklung mehrere Tage dauern, und am Wochenende ist es geschlossen. Eine Gruppe großer Geschäftsbanken hat zwar eine Echtzeit-Zahlungsplattform aufgebaut, aber viele kleinere Banken im Land haben noch keinen Zugriff darauf. Die Fed hat deshalb beschlossen, eine neue öffentliche Plattform zu entwickeln. Das FedNow genannte Projekt dürfte aber nicht vor 2023 oder 2024 fertig sein.

In der Welt der Finanztechnologie ändern sich die Dinge schnell – möglicherweise wird hochmoderne Bezahltechnologie in vier Jahren stark aussehen wie die digitalen Währungen von heute. Aber selbst wenn die Fed irgendwann eine Digitalwährung herausgeben wollte, müssten laut Powell vorher einige wichtige Fragen geklärt werden. Wären Einzelhändler verpflichtet, sie anzunehmen? Welche Auswirkungen hätte sie auf die Finanzstabilität? Was sind die Sicherheitsrisiken? Wenn das System illegale Aktivitäten aufdecken soll, wie privat kann es dann sein? Sollte die Zentralbank Konten für Millionen normaler Verbraucher eröffnen?

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Was in Powells Brief durch Abwesenheit glänzte, war das Thema China. Die privaten Digitalzahlungsplattformen WeChat Pay und AliPay sind dort schon allgegenwärtig geworden und expandieren in viele andere Länder. China selbst lässt durchblicken, “bald“ eine Digitalwährung herausbringen zu wollen, was es zur ersten größeren Volkswirtschaft mit einer solchen Währung machen würde. Laut Vertretern der People's Bank of China wird die Währung kompatibel mit WeChat Pay und AliPay sein; manche erwarten auch, dass China seinen digitalen Yuan als internationale Reservewährung verwendet sehen möchte. Derzeit ist die wichtigste Reservewährung der Welt der US-Dollar.

Ein digitaler Dollar mag nicht bevorstehen, aber die Fed behält die Lage bei Digitalwährungen eindeutig im Auge. Wie Powell sagt, beobachtet sie auch die von Facebook vorgeschlagene Kryptowährung Libra intensiv. "Außerdem betreiben wir weiterhin eigene Forschung, auch mit Technologieexperimenten im kleinen Maßstab, die das Ziel haben, praktische Erfahrungen zu sammeln", schreibt Powell. "Diese Aktivitäten versetzen die Fed in die Lage, auf schnelle Entwicklungen auf diesem Gebiet zügiger zu reagieren."

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