Für lau

In Hannover will man jetzt auprobieren, ob kostenloser Nahverkehr die Leute in die Bahnen lockt. Aber dabei soll niemand auf falsche Gedanken kommen.

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Experimente sind cool. Voll wissenschaftlich. Stadt und Region Hannover machen jetzt ein Experiment: Sie wollen wissen, was passiert, wenn Busse und Bahnen in Stadt und Region am kommenden Samstag, den 30. November gratis angeboten werden.

Dazu muss man wissen: An den Adventswochenenden ist der Verkehr in der Innenstadt von Hannover in den vergangenen Jahren regelmäßig komplett zusammengebrochen. Entnervte Autofahrer standen zum Teil bis zu zwei Stunden im Stau, um wieder aus Parkhäusern heraus zu kommen. Am ersten Adventssamstag sind nach Schätzungen des Einzelhandels im Schnitt 300.000 Menschen in der Innenstadt.

Die Frage, ob man nicht mehr Menschen durch Freifahrten zur Benutzung von Bus und Bahn bewegen könnte, ist also keineswegs rein esoterisch oder ideologiegetrieben. Zumal es kostenlosen Nahverkehr an allen vier Adventssamstagen auch in anderen Städten wie in Münster oder in Karlsruhe geben soll.

Das Ereignis wirft jedoch bereits im Vorfeld hohe Wellen auf. Der Städtebund befürchtet, von solch einem Gratis-Nahverkehr gehe ein "falsches Signal" aus. Der Versuch suggeriere, Gratis-Nahverkehr sei "einfach zu machen". Außerdem würde die Aktion einem ohnehin schon "unterversorgten System" dringend benötigtes "Geld entziehen".

Tatsächlich soll die Aktion insgesamt 600.000 Euro kosten. Das ist ein hübsches Sümmchen, für das sich dies und das kaufen ließe. Wobei die erwarteten Einnahmeausfälle nur bei rund 365.000 Euro liegen. Hinzu kämen Kosten für zusätzliche Busse und Bahnen, die Sperrung vielbefahrener Straßen für den Individualverkehr – sowie für Marketing.

Dennoch geben die Verantwortlichen sich viel Mühe, zu betonen, dass dies ein einmaliges Experiment sei. Es sei keineswegs daran gedacht, in Hannover kostenlosen Nahverkehr einzuführen. Denn das sei ja überhaupt nicht zu bezahlen. Kurz gesagt: Wir probieren das mal aus, aber niemand soll auf falsche Gedanken kommen.

Nun ist es ja so, dass Experimente unter möglichst kontrollierten Bedingungen stattfinden sollten. Im Idealfall ändert der Forscher eine Variable und schaut, was passiert. In der Praxis gibt es oft ganz viele Einflussfaktoren auf das Ergebnis. Wenn die Leute nächsten Samstag nicht massenhaft in die Bahnen strömen, kann das ganz viele Ursachen haben – das Wetter, eine Grippewelle oder was auch immer.

Um zweifelsfrei erkennen zu können, was eine bestimmte Maßnahme bewirkt, könnte jedoch eine Gegenprobe helfen. Man könnte testen, was passiert, wenn man den Nahverkehr ausdünnt, absurd teuer macht, Gratis-Parkplätze im öffentlichen Raum bereit stellt, und Autofahren steuerlich subventioniert. Was sagen Sie? Das passiert doch alles längst? Na dann ist doch eigentlich alles klar, oder?

(wst)