Zugzwang

Test: BMW 118d

Nun wird auch der 1er gezogen statt geschoben. Wird aus dem Fahrdynamiker schlechthin nun ein Allerweltsauto? Ein Test des 118d zeigt, dass sich diese Frage nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten lässt

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BMW 118d 29 Bilder

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Eine kurze Rückblende in das Jahr 2004: Die ersten BMW-X-Modelle fuhren schon fleißig Rendite ein, doch frontangetriebene Vans mit Dreizylindern waren noch in weiter Entfernung. Der 3er war hochwertig ausgekleidet wie nie zuvor und mit einem freisaugenden Reihensechszylinder in einem finanziellen Bereich, der irgendwie noch erreichbar schien. Das waren die Begleitumstände zum Start des ersten 1ers.

Aus der Masse

Es war im September 2004, ein herrlicher Spätsommer-Samstag. BMW stellte den ersten 1er zu den Händlern und hatte sich eine durchaus mutige Aktion ausgedacht. So konnte man an diesem Tag beim BMW-Händler nicht nur den brandneuen 1er fahren, sondern auch Konkurrenten wie den VW Golf 5. Der erste 1er, den ich an diesem Tag in die Finger bekam, war ein 116i. Ich selbst fuhr zu dieser Zeit einen 3er aus den späten 1980er, und schon nach wenigen Kurven im 1er war mir trotz des schlappen Motors klar: Das Ding ist wieder ein echter BMW. Die nur schwer zu beschreibende Art, wie Fahrwerk, Lenkung, Schaltung und Sitzposition miteinander verzahnt waren, hob dieses Auto augenblicklich aus der Masse heraus. Der Klassiker: Verlassen Sie mal mit dem 1er flott einen Kreisverkehr. Eine sehr gute Ausbalancierung, jede Menge Traktion und eine präzise Lenkung machen das zu einem Genuss.

Die in diesem Jahr vorgestellte, dritte Generation ist, soviel sei schon an dieser Stelle verraten, ein gutes Auto mit zahlreichen Qualitäten geworden. Eines, das Freude machen kann. Eines, das verdammt gut fährt. Das aber, was den 1er bisher so besonders gemacht hat, ist verschwunden. Ich habe im Vorfeld einiges gelesen über den dritten 1er, wie gut die Traktion und wie wenig Antriebseinflüsse in der Lenkung seien. Als ich zügig bei der BMW-Testwagenausgabe in Garching vom Hof fuhr, hatte ich das erste Mal die Traktionskontrolle auf den Plan gerufen, ohne Rasanz angefordert zu haben.

Geschnitten

Ich fühlte mich ein wenig an eine Audi-A4-Probefahrt vor vielen Jahren erinnert, bei der ich als Linksabbieger mich etwas beeilen musste. Mein damaliger Dreier wäre einfach um die Ecke gefahren, im A4 erntete ich zahlreiche elektronische Eingriffe. Ganz so ist es im neuen 1er nicht. Er lässt sich durchaus zügig bewegen, doch es macht einfach weniger Freude als bisher, ihn zu scheuchen. „Die Normalität ist eine gepflasterte Straße; man kann gut darauf gehen, doch es wachsen keine Blumen darauf“, bemerkte van Gogh einst. BMW hat die Blumen sorgsam geschnitten, weg sind sie trotzdem.

Noch im Vorgänger konnte BMW sich eine herrlich präzise und direkte Lenkung erlauben, die Vorderräder waren ja von Antrieb befreit. Im neuen 1er ist sie fühlbar gedämpft, sie filtert viel mehr heraus. Für ein Auto mit Frontantrieb ist das fraglos sehr ordentlich gemacht, doch der in dieser Hinsicht sehr gelungene Mazda 3 ist keineswegs unterlegen.

Rappit-Mode

Im Testwagen war das adaptive Fahrwerk eingebaut – mit 500 Euro ist es angesichts der sonstigen Preise geradezu erstaunlich günstig. Der Unterschied zwischen Komfort und Sport ist hier ähnlich groß wie im BMW X1: Im Sportmodus ist das Fahrwerk derart unnachgiebig, dass es ein Kollege es spöttelnd als „rappit-Mode“ bezeichnete. Der 1er wirkte damit hoppelig, in sehr flott angegangenen Kurven neigte sich die Karosserie kaum, doch schon kleine Unebenheiten hinterließen das Gefühl, der 1er würde versetzen. Im Komfort-Modus erschien der ganze Aufbau viel ruhiger, die Traktion aus Kurven mit nicht absolut glattem Belag war ungleich besser. Das Fahrwerk liefert auch dann noch einiges an Rückmeldung, doch das Ansprechverhalten auf kleine Unebenheiten ist ausgezeichnet.

Viel Lob bekam der 118d für das gelungene Zusammenspiel von Motor und Getriebe. Selbst mein Kollege Daniel, privat unterwegs mit einem 140i, war überrascht, wie gut der Zweiliter-Diesel zog. 150 PS und 340 Nm genügen für reichlich Fahrspaß in dieser Klasse noch immer vollauf. Bei den absoluten Fahrleistungen setzt BMW keine neuen Maßstäbe, doch die Maschine tritt kräftig an. Nüchtern betrachtet hat man hier schon mehr Leistung, als es eigentlich braucht.