Gewohnheitsrecht vs. Naturgesetz

Elektroautos leiden nicht unter zu wenig Reichweite. Das wahre Problem liegt woanders.

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Kürzlich fing ein Bekannter auf einer Party eine Diskussion über Elektroautos an. Schon wegen der Naturgesetze könne das Ganze nicht funktionieren, sagte er und begann einen Vortrag über Elektrochemie und Energiedichte. Leider seien die ganzen Leute zu doof, das zu kapieren. Außer ihm natürlich.

Ich halte dagegen und leugne schlankweg, dass die Elektromobilität überhaupt ein Reichweitenproblem hat. Das Argument mit der Elektrochemie unterstellt stillschweigend, dass die Energiedichte von Kohlenwasserstoffen der maßgebliche Wert sei, an dem sich Elektroautos messen lassen müssen. Das hat aber nichts mit Naturgesetzen, sondern mit einer bestimmten Denke zu tun. Wir haben uns daran gewöhnt, mit völlig überdimensionierten Autos zur Arbeit zu fahren, nur weil wir das Gefühl haben, die Reichweite ab und zu brauchen zu können. Das ist zwar so eine Art Gewohnheitsrecht, aber kein Naturgesetz.

Laut der Studie "Mobilität in Deutschland" sind 64 Prozent der Pkw-Fahrten kürzer als 10 Kilometer und 95 Prozent kürzer als 50 Kilometer. Das bekommt jedes beliebige Elektroauto locker hin. Dazu kommt, dass der klassische Pendler gerne draußen im eigenen Häuschen wohnt und demzufolge auch kein Problem mit dem Laden haben dürfte. Wo genau besteht hier der Widerspruch zu Naturgesetzen?

Die gleiche Studie verweist allerdings auch darauf, dass lange Strecken "anteilig an der Gesamtfahrleistung" eine "wichtige Rolle" spielten. "Vor diesem Hintergrund können auch Diskussionen um die Reichweite von Elektrofahrzeugen nicht mit dem Argument entkräftet werden, dass die Mehrzahl der Fahrten kurz ist. Es ist davon auszugehen, dass Pkw-Fahrer bei Kaufentscheidungen heute häufig Erwartungen an die Pkw-Nutzung im Fernverkehr einbeziehen."

So weit, so einverstanden. In der Studie heißt es aber weiter: "Dieses Hemmnis kann sich auflösen, zum Beispiel wenn höhere Reichweiten erreicht werden." Hier ist es wieder: Das Warten auf irgendwelche technischen Durchbrüche, gerne auch verbunden mit Grundsatzdiskussionen über die Elektrochemie.

Dabei sind das wahre Problem die Kosten, nicht die Reichweite. Die wenigsten Pendler dürften ein Problem mit einem One-Trick-Pony haben, das nur eine Sache beherrscht, nämlich die tägliche Pendelei. Ein Problem dürften die meisten Leute allerdings durchaus damit haben, dafür 30.000 Euro auszugeben. Doch Kosten sind eine wirtschaftliche Angelegenheit und nicht unveränderlich wie Naturgesetze. Der Unterhalt von E-Autos ist ohnehin weitaus günstiger als der von Verbrennern. Sinken die Anschaffungskosten entsprechend, bleibt genug Geld übrig, sich von Fall zu Fall einen Verbrenner zu mieten, wenn es gar nicht anders geht.

(grh)