Sturmtarif

Ionity: Was kostet der schnelle Strom?

Die „Willkommensphase“ ist beendet: Auf den Pauschaltarif von acht Euro folgt bei Ionity ab 1. Februar ein Preis von 79 Cent pro Kilowattstunde (kWh). So verkündete es CEO Michael Hajesch in einem Interview beim Magazin Edison – und löste einen Shitstorm aus

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Ionity: Was kostet der schnelle Fahrstrom? 5 Bilder
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Von
  • Christoph M. Schwarzer
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Dieser Kurs sei viel zu hoch, sagen die Kritiker, wenn sie selbst ein Elektroauto fahren. Die Gegner der Elektromobilität lachen höhnisch, denn bei 79 Cent pro kWh sind Superbenzin und Dieselkraftstoff viel billiger.

Mit etwas Abstand und bei nüchterner Betrachtung zeigt sich jedoch, dass hier eher ein PR-Desaster als eine krasse Preiserhöhung stattgefunden hat. Für fast alle Nutzer wird das Laden bei Ionity deutlich günstiger als es die pure Zahl vermuten lässt.

Ionity ist ein Joint Venture der deutschen Autokonzerne BMW Group, Daimler AG und Volkswagen AG sowie der Ford Motor Company. Seit September ist die Hyundai Motor Group Partner und Teilhaber, und etliche Unternehmen und Verbände von Royal Dutch Shell bis Tank & Rast sind mit Ionity assoziiert. Das Ziel ist der Aufbau eines europaweiten Schnell-Ladenetzwerks mit Gleichstrom-Säulen, die bis zu 350 kW Leistung anbieten. Die Schnellader stehen nicht zufällig dort, wo der E-Auto-Fahrer schnell vorankommen und daher rasch laden will – an den Autobahnen.

Konkurrenz und Alternative zu Teslas Supercharger-Netzwerk

Das muss zügig gelingen, wenn die Käufer von batterieelektrischen Autos mit dem Standard CCS (Combined Charging System) wie dem Audi e-tron (Test) oder dem Mercedes EQC ebenso gut durch Europa kommen wollen wie die Tesla-Besitzer mit den Superchargern. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass CCS-Fahrzeuge an den Superchargern keinen Strom bekommen können und umgekehrt Tesla Model S (Test) und X bei CCS-Säulen leer ausgehen. Einzig das Tesla Model 3 (Test) beherrscht beide Systeme und hat damit Zugriff auf das größte Netzwerk überhaupt.

Was Befürworter und Skeptiker des Elektroautos gleichermaßen empört, ist der Preis von 79 Cent pro kWh. Ein Kompaktwagen kommt bei Richtgeschwindigkeit, relativ ebener Strecke und gemittelt über die bei uns üblichen klimatischen Bedingungen auf einen Autobahnverbrauch von etwa 20 bis 25 kWh / 100 km. Daraus resultieren bei Ionity Energiekosten in Höhe von 15,80 Euro bis 19,75 auf 100 Kilometer. Dafür gibt es beim tagesaktuellen Preis in der Region Hamburg 11,4 bis 14,2 Liter Superbenzin (bei 1,39 Euro/l) oder 13 bis 16,2 Liter Dieselkraftstoff (bei 1,22 Euro/l). Elektroautofahrer zahlen also fürs Schnelladen an der Autobahn so viel oder mehr als das Doppelte eines vergleichbaren Pkws mit Ottomotor oder Selbstzünder. Theoretisch, denn lebenspraktisch sieht es anders aus.

Mercedes: 29 statt 79 Cent pro kWh

Mehrere Argumente relativieren die 79 Cent pro kWh deutlich. Zum ersten fährt jeder vernünftige Fahrer eines Elektroautos mit voller Batterie los, wenn er eine lange Strecke bewältigen möchte. Hier gilt entweder der Hausstromtarif von etwa 30 Cent oder im besten Fall nochmals deutlich weniger, wenn zum Beispiel eine eigene Photovoltaikanlage genutzt werden kann.