NetzDG-Reform: "Verdachtsdatenbank nie gekannter Dammbruch"

13 Organisationen appellieren an die Justizministerin, ihre zwei Entwürfe zur Novelle des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zurückzuziehen.

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Schild "STOP HATING - ALL WAY"

(Bild: sylvar, Stop hating (all way), Lizenz Creative Commons CC BY 2.0)

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Der Referentenentwurf zur Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) und die damit verbundene Gesetzesinitiative zur "Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" aus dem Bundesjustizministerium enthielten hochproblematische Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung, den Datenschutz und die Meinungs- und Informationsfreiheit. Davor warnen 13 Vereine und Verbände in einem offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht.

Die Gefahren für die Grundrechte seien so groß, dass sie die Ministerin auffordern, die beiden Entwürfe zurückzuziehen und grundlegend zu überarbeiten. Soziale Netzwerke müssten beispielsweise strafrechtlich relevante Hassbeiträge mit IP-Adressen und Portnummern der Nutzer an das Bundeskriminalamt (BKA) senden, kritisieren die Unterzeichner, zu denen der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), der Journalistenverband DJV, der Verein Digitale Gesellschaft, der eco-Verband der Internetwirtschaft, das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF), die Gesellschaft für Informatik und Wikimedia gehören. Mit an Bord sind zudem die netzpolitischen Vereine Cnetz, D64 und Load, die der CDU und CSU, SPD sowie FDP nahestehen.

Mit der Meldepflicht werden Teilnehmerinformationen "in ein polizeiliches Zentralregister" ausgeleitet, was "hoch riskant und mit den Grundsätzen der Medien- und Informationsfreiheit nicht zu vereinbaren" sei, heißt es in dem offenen Brief . Damit dürften jährlich die persönlichen Daten von hunderttausenden Bürgern "oftmals zu Unrecht bei Strafverfolgungsbehörden gespeichert werden". Solch eine "Verdachtsdatenbank" stelle "einen Dammbruch in bisher nicht gekanntem Ausmaß dar, der dazu geeignet ist, die Grundsätze unseres Rechtsstaats und unserer liberalen Demokratie zu erodieren".

In den Vorlagen finden sich laut den Verfassern weitere Ansätze, die einer angstfreien Kommunikation widersprächen. "Wenn sowohl Opfer als auch Täter von den sozialen Netzwerken 'Gruppen' zugeordnet werden sollen, um besser zu analysieren, wer bedroht wird und woher die Bedrohung kommt, dann schaffen wir Register etwa von 'Juden', 'Homosexuellen' oder 'Transpersonen'. Dies sollte nicht nur aufgrund der Lehren der deutschen Geschichte eine rote Linie sein, sondern auch in Anbetracht der aktuellen Berichterstattung über den Missbrauch von polizeilichen Datenbanken durch Beschäftigte".

Die Allianz reibt sich auch an der vorgesehenen Auflage für Webseitenbetreiber und Diensteanbieter, Passwörter herauszugeben. Damit könnten staatliche Stellen Anreize setzen, Provider entgegen datenschutzrechtlicher Vorschriften dazu anzuhalten, unverschlüsselte Zugangskennungen vorzuhalten. Damit würde "jegliche Nutzung digitaler Konten – vom sozialen Netzwerk bis zum Online-Banking – massiv unsicher". Der IT-Standort Deutschland wäre "ein Schlaraffenland für Hacker", auch ein von Ermittlern vorgelegter "Beweis" nicht mehr standhaft. Zudem seien Journalisten von dieser weitreichenden Maßnahme nicht ausgenommen, was auch den Quellenschutz deutlich einschränke. (anw)