Probefahrt mit Opels Elektroauto Corsa-e: In Bestform

Eine erste Ausfahrt mit dem elektrisch angetriebenen Corsa-e zeigt, warum dieser Antriebsform die Zukunft gehört

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Opel Corsa-e

(Bild: Opel)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Wende hatte bei Opel in den vergangenen Jahren eine gewisse Tradition. Nach den schmerzhaften Einschnitten, vorgenommen vom neuen Besitzer PSA, scheint nun tatsächlich eine nachhaltige Trendwende möglich. 2019 war für Opel ein gutes Jahr, 2020 könnte ein noch besseres werden. Anteil daran dürfte auch der neue Corsa haben, den es auch als E-Auto gibt. Mit dem Corsa-e konnten wir bereits eine Probefahrt unternehmen.

Der Antriebsstrang ist schon bekannt und wird in dieser Form unter anderem auch in Peugeot e-208 und e-2008 eingebaut. Dabei wird es nicht bleiben, weitere Modelle werden folgen. Unterwegs im Corsa-e zeigt sich rasch, dass dies der angenehmste Antrieb ist, der aktuell auf dieser Basis zu haben ist. Der brummige Unterton des Dreizylinders, den wir kürzlich in der Redaktion hatten (Test folgt), fehlt hier naheliegenderweise, was das Fahrgefühl entscheidend prägt.

Es gibt drei Fahrmodi mit einer großen Spannbreite: Im Programm „Eco“ hat der Corsa-e 60 kW und ein Drehmoment von 180 Nm, bei „Normal“ sind es 80 kW (220 Nm) und bei Sport 100 kW und 260 Nm. Schon im Eco-Modus tritt der E-Corsa kräftig an. Gerade in der Stadt schwimmt er so locker mit, ohne auch nur in die Nähe von Leistungsgrenzen zu kommen. Außerhalb der Stadt werden die im Eco-Modus eher erkennbar – kein Wunder, denn schließlich müssen im Corsa-e 1530 kg (inklusive 75-kg-Normfahrer) bewegt werden. Das sind rund 300 kg mehr als beim vergleichbaren Verbrenner mit 96 kW (131 PS), der noch eine Achtgang-Automatik mit sich rumschleppt.

Auf „Sport“ gestellt gibt sich der Corsa-e ziemlich agil – mitunter muss sogar die Schlupfregelung mäßigend eingreifen. Anders als bei den Verbrennern läuft das hier natürlich akustisch ziemlich unspektakulär ab. Oft ist man schneller als gedacht, die innere Geräuschkalibrierung braucht einfach länger als eine Probefahrt wie diese, um sich neu zu justieren. Menschen wie dem Autor, die Ruhe im Auto schätzen, fällt nach ein paar Kilometern im Elektroauto der Umstieg zurück auf eines mit Verbrennungsmotor nicht leicht. Dazu kommt der ansatzlose Antritt, der Wunsch nach mehr Tempo wird hier einfach sofort umgesetzt, ohne das sich ein Getriebe erst sortieren muss.

Angenehm ist auch die stärkere Rekuperation, die mit einem Ziehen des Wählhebels nach hinten aktiviert wird. Dann wird mit bis zu 1,3 m/s2 verzögert, bevor die Bremsbeläge greifen. Mit vorausschauendem Fahren kriegt man so das One-Pedal Feeling hin, spart Feinstaub und hat die Gewissheit, die negative Beschleunigung nicht einfach in nutzlose Wärme, sondern in Reichweite investiert zu haben.

Fahrbericht: Opel Corsa-e (13 Bilder)

Der Corsa-e bietet den derzeit angenehmsten Antrieb, der auf dieser Basis zu haben ist.

Den Verbrauch im WLTP gibt Opel mit 16,8 kWh/100 km an. Auf unserer ersten Proberunde bei niedrigen Temperaturen waren es knapp 20 kWh/100 km. Beim Laden muss sich der Käufer vorab überlegen, was er will. Das Basismodell ist einem einphasigen Onboard-Lader ausgestattet, der bis zu 7,4 kW akzeptiert. Nutzen lassen sich die in Deutschland nur an einigen öffentlichen Ladestationen, bei denen der Stromanbieter mehr als 20 A freigegeben hat. Wer das nutzen will, muss aber in ein Mode-3-Ladekabel investieren, für das man bei Opel 250 Euro aufruft. Der mitgelieferte Ladeziegel für 230 Volt ist mit 8 A abgesichert, bei 1,8 kW Ladeleistung ist hier also Schluss. Anders ausgedrückt: Für 100 km Reichweite, bezogen auf den WLTP, muss der Corsa-e mit dieser Option etwas mehr als neun Stunden am Netz sein.

Für die teureren Linien gibt es mehr Tempo. Dort ist ein dreiphasiger Onboard-Charger Serie, an Wechselstrom sind damit hierzulande bis zu 11 kW Ladeleistung möglich. Ein Mode-3-Ladekabel (11 kW, 3-phasig) für öffentliches Laden kostet 280 Euro. Für 720 Euro liefert Opel ein Universal-Ladekabel (max. 22 kW, 3-phasig) mit Adaptern für die 230-Volt-Steckdose, öffentliches Laden und die CEE-16-Industriesteckdose. Noch schneller geht es an einer DC-Schnellladestation mit 100 kW – hier soll der Speicher innerhalb von 30 Minuten zu 80 Prozent geladen sein. Die Batterie hat eine Bruttokapazität von 50 kWh, von denen sich 45 nutzen lassen. Die Reichweite im WLTP gibt Opel mit 337 km an.

Beim Fahrverhalten machen sich der um 57 mm tiefere Schwerpunkt und die aufgrund der verbauten Batterien um 30 Prozent höhere Torsionsfestigkeit der Karosserie bemerkbar. Der Corsa-e federt harmonischer als die Modelle mit Verbrennungsmotor. Das Fahrwerk haben die Techniker aufgrund des höheren Gewichts angepasst. Um die Speicher unterzubringen, mussten die Ingenieure die hintere Radaufhängung abändern, unter anderem wurden die Federrate erhöht und die Puffer-Geometrie an der Hinterachse etwas verändert. Dennoch spürt man in den Kurven das Gewicht der Batterie, das nach außen drängt.

Das Basismodell „Selection“ des Corsa-e kostet 29.900 Euro. Wie den Basis-Mini-e gibt es auch den billigsten Corsa-e nur in Grau. Die nächsthöhere Ausstattungslinie „Edition“ kostet 30.650 Euro und ist nicht nur in verschiedenen Farben zu haben, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, den Corsa-e mit Dingen wie dem festen Glasdach, Alufelgen, Fensterhebern hinten, Navi oder LED-Scheinwerfern auszustatten. Für das vorläufige Topmodell „First Edition“, 32.900 Euro teuer, kann sogar Matrix-Licht bestellt werden – das bietet in diesem Segment kaum einer, auch der Peugeot 208 auf gleicher Basis nicht.

Das Vergnügen, einen Corsa mit E-Motor zu fahren, bleibt in der Anschaffung teuer, wenngleich insgesamt rund 6500 Euro vom Listenpreis abgezogen werden können. Trotz der guten Serienausstattung werden am Ende vermutlich fast immer mehr als 25.000 Euro auf der Rechnung stehen. Viel Geld für einen fraglos guten Kleinwagen. Andererseits: Ein Corsa mit 100 PS-Benziner, Automatik und ein paar wenigen Extras überschreitet unverhandelt rasch die Marke von 22.000 Euro – und zieht höhere Betriebskosten nach sich.

Beim Corsa-e ist nach Abzug der Förderung offenbar noch etwas Luft in der Kalkulation. In den Autobörsen wird er vereinzelt schon ab 20.000 Euro gehandelt. Sorgen um die Nachfrage muss Opel sich vorerst wohl nicht machen, und mit Autos wie dem Corsa-e dürfte es weiter aufwärtsgehen. Spannend wird es, wenn VW das Basismodell des ID.3 für einen ähnlichen Preis liefern kann. Vor 2021 wird das mutmaßlich aber kaum der Fall sein.

(mfz)