Das Imperium schlägt zurück

Der Lockdown hat auch sein Gutes: Weniger Autos, aber dafür mehr Platz für Radverkehr in den Städten. Das könnte sich aber schon bald ändern.

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Weil viele Menschen im Moment – noch – zu Hause sitzen, ist der Autoverkehr drastisch zurückgegangen. Gleichzeitig hat der Radverkehr signifikant zugenommen. Da jedoch auch für Radfahrer das Abstandsgebot gilt, sind in diversen Städten weltweit zusätzliche improvisierte Fahrradstraßen entstanden – neudeutsch Pop-Up-Bike-Lanes.

Das mag ein bisschen popelig klingen: Städte sperren Fahrspuren oder gar komplette Straßen ab, und geben die dann für Fahrräder frei. Für alle, die in den vergangenen – sagen wir mal – 20 Jahren vergeblich an einer echten Verkehrswende gearbeitet haben, kommen diese Aktionen aber einer Revolution gleich. Auf einmal geht das: Da wird Straßenraum neu verteilt. Und das Auto steht nicht automatisch und ungefragt an erster Stelle.

Bahnt sich da klammheimlich ein grundsätzlicher Wandel an? Tranformationsforscher wie Maja Göpel plädieren schon länger dafür mal ganz grundsätzlich darüber nachzudenken, ob wir unser Leben und unsere Gesellschaft nicht ganz anders organisieren könnten. Weniger selbstzerstörerisch auf stetiges Wachstum fixiert beispielsweise. Und für so manchen Intellektuellen ist die Krise tatsächlich eine Chance, jetzt mal was Neues aufzubauen.

Aber ich fürchte, am Horizont bauen sich längst schon wieder dunkle Wolken auf. Zumindest in Sachen Verkehrswende. Die FAZ beispielsweise erklärt ihren Lesern heute unter der Überschrift "Warum die Luft besser wird", dass die Luftqualität in den Städten schon vor Corona-Zeiten zugenommen hat. Was vor allem daran liege, dass "Softwareupdates wirken". Das mit dem Diesel ist also alles gar nicht mehr schlimm.

Das jedenfalls ergebe sich aus den Daten von Motorenforscher Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie, der am Stuttgarter Neckartor für das erste Quartal 2020 ein Mittel von 40,3 Mikrogramm Stickoxide gemessen haben will. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 58,9 Mikrogramm. Für die besseren Werte macht Koch vor allem die verbesserte Motortechnik verantwortlich. "Corona hat einen untergeordneten Einfluss", verrät er der FAZ.

Was aber eigentlich nicht weiter verwunderlich ist. Schließlich ist Koch schon lange der Meinung, dass diese ganze Diesel-Abgas-Nummer hemmunslos übertrieben sei. Denn der "Motorforscher" Koch, den uns die FAZ da ganz harmlos als Experten präsentiert, ist offenbar genau der Koch, der 2018 gemeinsam mit ein paar Kumpels den windigen Aufruf der Initiative "Lungenärzte im Netz" iinitiiert hat, um die Stickoxid-Grenzwerte zu kippen.

Aber Berichte wie der hier erwähnte sind ja nicht alles. Als der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann kürzlich eine neue Abwrackpämie forderte – nicht nur für Elektroautos, sondern auch für "modernste Benziner und Diesel" – hielt ich das erst für einen schlechten Scherz. Die üblichen Reflexe der üblichen Technik-Dinosaurier, die jede Gelegenheit nutzen, die aber eh niemand ernst nimmt.

Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher. Die ganze Inszenierung erinnert mich vielmehr an ein schlechtes Remake von "Das Imperium schlägt zurück". Anfang Mai wird der nächste Autogipfel im Bundeskanzleramt statt finden. Da wird ernsthaft über Kaufprämien für neue Autos gesprochen werden, um der Not leidenden Industrie zu helfen. Und mit der schrittweisen Lockerung des Lockdowns werden auf den Straßen auch wieder mehr Autos rollen. Die brauchen dann auch wieder mehr Platz. Der kurze Verkehrswende-Frühling ist vielleicht schon bald wieder vergessen. Oder nicht?

(wst)